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des 18. Jahrhunderts zu neuem Kulturleben auf — die Wieder
geburt des tschechoslowakischen Volkes ist eine Äußerung zäher
nationaler Vitalität. Warum also und mit welchem Rechte wollen
die Pangermanen den Tschechen und Slowaken die Selbständig
keit streitig machen?
Und so wie das tschechische Volk, so sind in ähnlicher Weise
auch die Dänen, Norweger, Schweden, Finnen ein Beweis dafür,
daß man Kulturtüchtigkeit nicht bloß nach Kilometern des be
treffenden Ländergebietes oder mit statistischen Zahlen bemessen
kann.
Die heutigen großen Nationen haben die Grundlagen zu ihrer
Kultur auch in einer Zeit gelegt, als sie kleinere und kleine
Nationen waren, und insbesondere fällt der Umstand ins Gewicht,
daß es in der älteren Zeit keine modernen Kommunikationsmittel,
keine moderne Industrie und überhaupt nicht jene Verhältnisse
gegeben hat, von denen behauptet wird, daß sie für die Ent
wicklung der heutigen sich überstürzenden Kultur notwendig seien
— lauter Behelfe, welche heute den kleinen Nationen ebenso
zugänglich sind, wie den großen. Dante, Shakespeare, Moliere
und andere lebten in Tagen kleiner Verhältnisse. Und Jesus
und seine Anhänger wuchsen in einem weltverlassenen Ländchen
Asiens auf...
Eine genauere Analyse und ein Vergleich der großen mit
den kleinen Nationen müßte die Begabung, die Kapazität der
Nationen untersuchen; in dieser Hinsicht weist das intensive
Bemühen mancher kleinen Nationen auf eine bedeutende natür
liche Begabung hin; ein kleines Volk, welches sein Dasein gegen
ein großes verteidigt, denkt viel intensiver als ein großes, das
sich eben auf sein zahlenmäßiges Übergewicht verläßt. In diesem
Belange sind die landläufigen Urteile über die Kulturstufe und
die Leistungen kleinerer Nationen sehr ungenau und gar wenig
wissenschaftlich. 1 )
18. Die Gegner der kleinen Staaten und Völker verweisen
auf Österreich, das angeblich ein klassisches Beispiel dafür sei,
daß kleine Völker sich zu größeren föderativen Einheiten ver
einigen müssen, da sie sonst außerstande wären, ihre Selbstän
digkeit zu bewahren.
!) Nach kraniometrischen Angaben, auch deutscher Anthropologen,
weisen die Tschechen und, wie ich glaube, auch die Kroaten, den höchsten
Schädel- und Qehirnindex auf.