Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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hilfsmittel nahe. Es ist mehr als zweifelhaft, ob sich ein solches 
Unternehmen ohne Zwang und in gerechter Weise durchführen 
läßt; de facto beabsichtigen die pangermanischen Politiker mit 
diesem Vorschläge eine Schwächung der nichtdeutschen Minder 
heiten und keineswegs ihre nationale Befriedigung. 
Die ethnographische Berichtigung der Grenzen wird sich nach' 
dem demokratischen und parlamentarischen Majoritätsprinzip zu 
richten haben. Ein Beispiel: Im erneuten Polen und Böhmen wird 
es deutsche Minderheiten, in Böhmen recht beträchtliche, geben; 
aber die Zahl der deutschen Bewohnerschaft im freien Polen und 
freien Böhmen wird viel geringer sein, als die Zahl der tschechi 
schen und polnischen Bewohner in den polnischen und tschechi 
schen Ländern unter deutscher und österreichischer Oberherr 
schaft. Die Polen und die Tschechen sind gleichberechtigt und 
gleichwertig, die Deutschen sind nichts Höheres als sie, und 
darum ist es gerechter, wenn in Polen und Böhmen freie Minori 
täten bestehen bleiben, welche kleiner sein werden, als die gegen 
wärtigen slavischen, von den Deutschen unterdrückten Gebiete. 
Es muß noch hervorgehoben werden, daß es keine verläßliche 
Nationalitätsstatistik gibt; die herrschenden Nationen haben mit 
allen möglichen Maßregeln die Volkszahl der unterdrückten Na 
tionen in den amtlichen Statistiken möglichst herabgedrückt, indem 
sie demographisch willkürliche, ungenaue Sprach- und Nationa 
litätskategorien erfanden (z. B. Umgangssprache usw). Die Durch 
führung einer genauen demographischen Statistik ist überhaupt 
eine unabweisbare Forderung, nicht nur der Geschichte und der 
Wissenschaft überhaupt, sondern gerade der Politik und Ver 
waltung. 
Die Festsetzung der ethnographischen Grenzen wird nach dem 
Kriegstaumel vielleicht in einigen Fällen eine bloß provisorische 
und zeitlich bemessene Maßregel sein; sobald sich die Nationen 
beruhigt und das Prinzip der Selbstbestimmung angenommen 
haben werden, könnte die Berichtigung der ethnographischen 
Grenzen und Minderheiten ohne Aufregung und auf Grund von 
sachlichen Erwägungen durchgeführt werden. Dies um so eher, 
wenn die Minderheiten nicht mehr unterdrückt sein werden; die 
freien Minderheiten werden in der Organisation Europas eine 
große Rolle zu spielen haben — es wird ihre Aufgabe sein, die 
Entwicklung echter Internationalität zu fördern.
	        
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