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entgegen; gegen die Demokratie stützt es die Aristokratie, eine
besonders selbstsüchtige und beschränkte Aristokratie, die schon
erwähnte Art der ausbeutenden Ostindischen Kompagnie.
Die Habsburger sind nicht umsonst durch Jahrhunderte deut
sche Kaiser gewesen — sie haben sich die mittelalterliche im
perialistische Idee zu eigen gemacht und betätigen dieselbe weiter,
obwohl sie auf das deutsche Kaisertum formell verzichtet haben;
sie haben treuergeben der Kirche gedient und die Religion für
ihre Familienzwecke ausgenützt.
Die Habsburger haben die Gegenreformation mit Hilfe der
Dragoner und Jesuiten durchgeführt; einer der größten öster
reichischen (deutschen) Schriftsteller hat das Regime Metternich
und Bach ein Regime der „Geistesmörder“ genannt. Der Papst
hat selbst unlängst zugegeben, daß er darauf hinarbeite, den
letzten großen, ihm noch gebliebenen katholischen Staat zu retten.
Der Klerikalismus ist der Führer des österreichischen Imperialis
mus, welcher gegen die Orthodoxie in Rußland und auf dem
Balkan gerichtet ist. 1 ) Politisch war das ganze Regime Franz
Josefs auf diesem klerikalen Imperialismus aufgebaut; Franz Fer
dinand und sein Groß-Österreich unterschied sich hiervon nur
durch seine Taktik, die seine Anhänger als „festen Willen“ aus
posaunten.
Palacky, welcher 1848 für Österreich als der erste das Pro
gramm einer freien Föderation der Nationen aufgestellt hat, ver
suchte es noch 1865, „die Idee des österreichischen Staates“ zu
formulieren: es müßte ein gegen seine Völker gerechtes Österreich
sein. Von diesem Österreich hatte Palacky 1848 gesagt, es
müßte neu geschaffen werden, wenn es nicht schon bestände.
Aber die Schaffung des Dualismus 1867 hat Palacky belehrt, daß
man von Österreich Gerechtigkeit nicht erwarten könne. Die
neueren tschechischen Politiker haben sich lange bemüht, Öster
reich im Sinne Palackys v. J. 1865 aufzufassen, aber Österreich
ging seinen verhängnisvollen Weg weiter. Der Dreibund und die
Okkupation Bosniens und der Herzegowina haben aus ihm eine
gehorsame deutsche Avantgarde im Osten gemacht, seine mo
ralische Niedrigkeit haben die diplomatischen Intriguen unter
Ährenthal und die Agramer und Friedjungschen Prozesse enthüllt.
*) Diese traditionelle Aufgabe Österreichs hat der deutsche liberale
Theolog Ehrhard in seiner Broschüre sehr gut beleuchtet.