Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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Kampf gegen Wilhelm unternehmen mußte — Bismarck wußte 
und sah, was für schwächliche und nichtige Repräsentanten seiner 
Idee er da verteidige, er enthüllte den Schleier der monar 
chistischen Isis ... In diesem Zwiespalt, dieser Halbheit 
(Bismarck trieb sein Spiel mit Lassalle, aber Lasalle trieb seiner 
seits sein Spiel mit Bismarck) systematisierte Bismarck den preu 
ßischen politischen Jesuitismus, er, der Widersacher des öster 
reichischen Jesuitismus und der Feind seiner Kleinlichkeiten; wer 
psychologisch eingehender zu analysieren vermag, wird sich von 
Bismarcks Taktik nicht täuschen lassen — gegen die zopfige 
Diplomatie bediente er sich des Bluffs robuster Halbwahrheit. 
Bismarck verteidigte eine verlorene Position und sah ein, daß 
die Position verloren ist; und doch betrieb er bewußt die Blut- 
und Eisenpolitik, an welcher er, wie wir von Busch wissen, niemals 
rechte Freude hatte und aus der er nie rechte Befriedigung 
schöpfte. Und dieser Bismarck und die Männer a la Treitschke 
haben die Synthese Weimar und Potsdam verwirklicht, —• 
.Treitschke hat die Moral als Mittel kleiner Menschen erklärt, 
die kleine Dinge zu verwirklichen hätten, der Staat habe großer 
Dinge zu walten. 
Diese Bismarcksche Zwiespältigkeit ergibt sich allerdings aus 
dem Begriff und dem Wesen des preußischen Staates: ein Gottes- 
gnadenstaat, dessen Dynasten geradezu neuzeitliche Propheten 
Gottes sind, ist seinem ganzen Wesen nach konservativ, legi- 
timistisch; aber die imperialistische Eroberungssucht zwingt den 
preußischen König, mit Schwert und hinterlistigen Ränken die 
benachbarten Dynasten, die doch der gleichen Gnade Gottes 
entstammen, zu absorbieren (Preußen hat mehr als hundert 
Dynasten verschluckt), und mit dem Sozialismus und der Re 
volution zu paktieren. 
Darin steckt eben der preußische politische Materialismus — 
deshalb, weil der Staat eine wirkungsvolle Armee zur Verfügung 
hat und Massen zu mobilisieren in der Lage ist, ist er noch nicht 
groß, wofern nicht das Ziel seines Trachtens groß und großherzig 
ist, und die preußische Politik war niemals sonderlich ehrlich 
und großherzig. (Siehe den soeben abgeschlossenen unehren 
auch ihre Könige, Fürsten usw. haben. Bebel sagte (1003) mit Recht: 
die Monarchie in Preußen ist eine Monarchie par excellence; eine solche 
Monarchie könne es ein zweites Mal in der ganzen übrigen Welt nicht 
geben.
	        
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