Herren auf dieser Erde wären und ihre Beziehungen demnach die Ge
schichte der Menschheit ausfüllten.
Doch ich brauche mich wahrlich nicht in so weite Fernen zu verlieren,
um den Versuch einer Gegenüberstellung der beiden Bolkscharaktere vor
weiteren Kreisen zu rechtfertigen. Die Gegenwart mit ihren mannigfaltigen
Verknüpfungen und Verschlingungen der Geschicke beider Nationen kann
des Hinweises auf die Vergangenheit und eine heraufziehende Zukunft
billigerweise entbehren.
Bei der Vergleichung von Individuen und Nationen pflegt man in erster
Linie ihre Temperamentseigentümlichkeit als das Bedeutsamste neben
einanderzustellen. Meiner Ansicht nach mit Unrecht. Freilich ist sie das
zunächst in die Augen Springende; aber den eigentlichen Kern der Indi
vidualität erfaßt man auf diese Weise nicht, und meistens bleibt man dabei
auf der Oberfläche überhaupt stehen. Es ist allerdings richtig, daß dem
Engländertum gegenüber dem Deutschtum ein stärkeres Phlegma eigen
tümlich ist. Indes entspringt diese Temperamentsverschiedenheit schon aus
der verschiedenen Färbung des Grundcharakters und kommt deshalb über
die Bedeutung des Symptoms nicht hinaus.
Wenn ich alle meine Einzelbeobachtungen über englisches und deutsches
Wesen zusammenfasse, so glaube ich die Verschiedenheit der beiden Völker
nunmehr mit folgender kürzester Formel bestimmen zu können: Der Kern
punkt in dem Verhältnis zwischen Wille und Vorstellung liegt beim Eng
ländertum ein wenig stärker auf der Willens-, beim Deutschtum ein wenig
stärker auf der Vorstellungsseite.
Ich werde gleich den induktiven Beweis für diese Behauptung antreten;
zunächst aber muß ich kurz erklären, wie ich dies meine.
Welcher Metaphysik man auch anhängt, man wird nicht bestreiten
können, daß die beiden letzten Äußerungen unseres Seelenlebens in Wollen
und Vorstellen bestehen. Das Verhältnis dieser beiden Grundkräfte zuein
ander bestimmt zum guten Teil die innerste Eigenart des Individuums.
Der Wille recht eigentlich ist das Beständige im Ich, sozusagen seine
Grundlage, der Intellekt dagegen das ewig Bewegliche, das den Willen
fortwährend zu seinen Äußerungen bestimmt. Beide zusammen erschöpfen
den Begriff des Ichs, an dem sie eben nur zwei Wesensäußerungen sind.
Es wird sich nun folgendes große charakterologische Grundgesetz auf
stellen lassen: Stabilität des Willens und Beweglichkeit des Denkens stehen
im entgegengesetzten Verhältnis. Wächst die Stabilität oder Richtungs