Deutschtum und Cngländertum I
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lischer Unternehmungsgeist mit deutscher Geisteskraft sich zusammenschließt,
wenn die beste Armee, welche die Weltgeschichte kennt, mit der größten
Flotte der Gegenwart sich verbindet — wer könnte da widerstehen?
Wer will den Schleier der Zukunft heben?
Tatsache ist, daß die beiden Völker anzufangen scheinen, sich besser zu
verstehen. Was Goethes Faust, Kants Kritik und Humboldts Kosmos nicht
bewirkt haben, das hat der Kanonendonner von Sedan zustande gebracht:
old England aus seiner hochmütigen Gleichgültigkeit gegen die Cousins
jenseits des Kanals aufzuschrecken und es zu bewegen, seinen Blick ein
wenig aufmerksamer auf die festländischen Verwandten zu lenken. Freilich
die Missionare, die hüben und drüben die persönliche Bekanntschaft ver
mitteln, sind nicht eben sehr geeignet, große gegenseitige Vorliebe zu er
wecken. Die englischen Flegel, die in der Rolle von Lords und Gentlemen
alljährlich Deutschland heimsuchen, geben dem Gesindel nicht viel nach,
das in London den größten Teil unserer Landsleute darstellt. Der achtens
werte deutsche Auswanderer aus den niederen Klassen wendet sich eben in
der Regel nach Amerika, und nur der Auswurf bleibt in London hängen.
Bon den besseren Klassen gehört ein Teil dem periodischen Künstlertum
an, ein anderer repräsentiert zwar eine tüchtige Arbeitskraft, ist aber nur
zu oft mit den Untugenden des Parvenütums^ behaftet. Wer wollte leugnen,
daß eine Menge sich bildender und gebildeter Engländer in Deutschland
und eine Anzahl von höchst achtungswerten Deutschen in England wohnen!
Wer so ist es nun einmal — die öffentliche Meinung pflegt in deteriorem
partem 2 zu urteilen.
Doch dem sei, wie ihm wolle, eine Reihe von Symptomen scheint in der
Tat eine Besserung der Beziehungen anzudeuten, und der gebildete Deutsche
tvird in gebildeten englischen Kreisen immer liebenswürdige Gastfreund
schaft finden.
Sollte indes die Entwicklung trotzdem den entgegengesetzten Gang ein
schlagen, sollte die Zukunft zu einer Verschärfung des Verhältnisses zwischen
dm beiden germanischen Großmächten führen — nun, so dürfen wir uns
auf alle Fälle damit trösten, daß es nicht das erstemal in der Geschichte
»>äre, wo eine ärmere, aber kriegsstarke Landmacht einen reichen und
handelblühenden Seestaat zu Boden geworfen. Der Kampf zwischen
Sparta und Athen, Rom und Karthago ist unvergessen, und die Fiktion
l ' om „unnahbaren Albion" glaubt man auch hier so recht nicht mehr.
2 ^^JSsach dem schlechteren Teil. lc