All-Deutschland
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zu aller Zeit schmerzlich empfunden worden, und das treffende Bild von
einem chronischen Verblutungsprozeß datiert meines Wissens nicht erst auö
unseren Tagen. Aber der Sprung von der Theorie zur Praxis, der konnte
doch erst gemacht werden nach der Wicderaufrichtung des Deutschen Reiches
in Europa. Jetzt aber ist er zu tun, wenn der in erschreckenden Progressionen
vorwärtsschreitenden Beranglisierung der Erde noch zur rechten Zeit von
deutscher Seite aus ein wirksames Halt zugerufen werden soll.
Und da schließt sich denn an die koloniale mit Konsequenz eine zweite
Aufgabe an. So gewiß es ist, daß eine gesunde Kolonialpolitik berufen
ist, in den chronischen Verblutungsprozeß der deutschen Auswanderung
heilend einzugreifen, dadurch nämlich, daß sie den Kapitalreichtum der
Nation mehrt und somit vielen Tausenden Gelegenheit geben wird, in der
Heimat selbst dauernd ihre Wohnstätte zu behalten, so gewiß eö ferner ist,
daß gerade nationale Betätigungen, wie die einer Kolonialpolitik, am
meisten geeignet sind, das Selbstbewußtsein unserer Art Fremden gegen
über auf der ganzen Erde anzufachen und dadurch dem kläglichen schnellen
Eutnationalisierungsprozeß unserer Landsleute draußen wirksamer ent
gegenzutreten: auf der anderen Seite muß doch zugegeben werden, daß sie
kaum noch in der Lage sein wird, Länder auf der Erde für unser Volkstum
zu erobern, in denen dasselbe zu großen selbständigen politischen Organi
sationen zusammengefaßt und dauernd erhalten werden kann. Denn die
gemäßigten Zonen des Erdballs sind in den letzten Jahrhunderten glück
licheren Völkern zugefallen; für Deutschland selbst ist nur die wirtschaft
lich zwar produktivere, nationalethisch jedoch weniger bedeutsame Tropen
kolonisation übriggeblieben.
Da drängt sich denn mit logischer Konsequenz uns der Gedanke auf, zu
versuchen, wieweit eö möglich ist, unsere Landsleute in der Fremde, wenn
nicht dem politischen Reichsverband, so doch unserer heimischen Art und
Sprache, damit aber der wirtschaftlichen Wechselwirkung zwischen Deutsch
land und überseeischen Gebieten zu erhalten. Der Gedanke darf nicht als
zu kühn erscheinen, wenn wir hoffen wollen, unserer Weltstellung getreu
zu bleiben, dem englischen Greater Britain mit seiner den Globus um
spannenden Organisation ein Alldeutschland gegenüberzustellen, welches
jenem wenigstens an Festigkeit der geistigen und wirtschaftlichen Bande
ebenbürtig zur Seite steht. Nur so ist es möglich, unserem Volkstum eine
Entwicklung für die Zukunft zu sichern, welche doch nicht vollständig von
der angelsächsischen überholt und beiseite gedrängt wird. Jedes Jahr des