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Aufsähe
des Hindutumö jener ersten Mischung den nötigen Zusatz metaphysische
Vertiefung liefert, von welcher die chinesisch-japanische Kultur in ihrer
praktischen Nüchternheit ja fast gar nichts, der kritische Westen aber kaum
noch so viel enthält, um nicht vollständig und reaktionslos ebenfalls in
das zwar klarere, aber doch auch flachere Fahrwasser des praktischen
Materialismus abgeschwemmt zu werden. Welche Resultate aus dieser drei
fachen Kombination sich ergeben werden, das werden die nächsten Jahr
hunderte lehren müssen.
In der politischen Fortbewegung Europas — aber auch des mongolischen
Ostasienö — sehen wir nun speziell zwei große Ideen gewissermaßen in
regelmäßigen Intervallen in der Herrschaft sich ablösen: die kosmopolitische
und die nationale. Die Geschichte scheint derart zu arbeiten, daß sie durch
die Entfaltung der einzelnen Nationen, sozusagen nach dem Prinzip der
Arbeitsteilung, bestimmte Seiten der allgemeinen Kultur herauswachsen
läßt, um sie dann immer wieder in universelleren Staatenbildungen zu
sammenzufassen und innerlich zu durchdringen. Zum Beweis genügt ein
Hinweis auf die sogenannten Weltreiche des Ostens, mehr noch ein Hin
blick auf das römische Imperium, wo die Resultate der nationalen Ent
wicklungen des Judentums, Hellenentums, Agyptertums und Römer-
tums, um von anderen zu schweigen, in die einheitliche Kultur des Mittel
meerbeckens verschmolzen uns entgegentreten.
Damals meinte man wohl allgemein, das endgültige Ziel der Mensch
heitsentwicklung erreicht zu haben. Die römischen Legionen, welche diese
eigentümliche Welt nach Nord und Süd, West und Ost abschlössen, schienen
dem Untergang einen ehernen Wall für die Ewigkeit entgegensetzen zu
wollen. Die große Idee des Universalismus verlor ihre Herrschaft über
die Gemüter Europas auch noch nicht, als dieser Wall durch die germanische
Völkerflut bereits auf der ganzen Linie in Trümmer gebrochen und die
griechisch-römische Welt in ihrer ganzen Ausdehnung von dieser Fluten
masse unaufhaltsam überschwemmt worden war. Die gesamte mittelalter
liche Geschichte aus dieser Perspektive angesehen, stellt das Emporringen
des nationalen gegenüber dem universalen Gedanken dar, und sie endete
mit dem Siege des ersteren über den letzteren. Richelieu und Oliver Crom-
well dürfen als die siegreichen Vertreter jenes, Wallenstein, nach Karl V.,
vielleicht als der letzte Repräsentant des Universalismus gelten. Der Aus
gang des Ringens schob Deutschland, welches der Träger der kosmopo
litischen Ideen bis auf unsere Tage gewesen ist, von seiner Vorherrschaft