Full text: Gesammelte Schriften (3)

Das englisch-japanische Bündnis 
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außerordentlich viel. Zum ersten Male wird es als gleichberechtigte Groß 
macht anerkannt. Wohl kann man es verstehen, daß die Begeisterung über 
diesen epochemachenden Schritt in Tokio und überall im Lande des 
Chrysanthemum 1 groß ist. Er bildet den Schlußstein zu dem glänzenden 
Gebäude der zivilisatorischen Reform Japans, welcher vornehmlich das 
Werk des Marquis Jto^ und seiner Schule ist. 
Das Wesen des Bündnisvertrags liegt ohne Frage in der Bestimmung, 
daß die beiden Seemächte die Unabhängigkeit Koreas und Chinas garan 
tieren. Indem sie beide gleichzeitig offiziell erklären, daß auch die Man 
dschurei als ein integrierender Teil des chinesischen Reiches anerkannt 
werde, richtet der Vertrag sich direkt gegen Rußland. Es ist sehr billig für 
die russische Presse, jetzt zu erklären, auch Rußland beabsichtige, die In 
tegrität Chinas zu erhalten, und es habe nie daran gedacht, die Mandschurei 
dauernd zu besetzen. Dies glaubt ihm niemand, der den Gang der Dinge 
in den letzten Jahren verfolgt hat. Wenn es jetzt dort haltmacht, so ge 
schieht dies unter dem Druck der neuen Kombination. 
Aber der Vertrag hat eine weitergehende Bedeutung. Wenn es den 
beiden Mächten ernst ist mit dem Programm, die Aufteilung des chinesischen 
Reiches zu verhindern und die Politik der „offenen Tür" für alle an die 
Stelle treten zu lassen; wenn sie im Verfolg dieses Gedankens die Re 
organisierung des großen Mongolenstaateö in die Hand nehmen, wenn 
japanische Organisationsfähigkeit und englisches Kapital sich zu diesem 
Zweck verbinden: dann wird die dort ansetzende Neuentwicklung sich in 
letzter Linie auch gegen etwaige deutsche Ausbreitungspläne in Schantung 
richten. Denn auch Schantung ist eine Provinz des Chinesischen Reiches; 
und es ist klar, daß kein europäischer Staat auf die Dauer einen Distrikt 
Chinas gegenüber einem reorganisierten himmlischen Staat, gedeckt durch 
die japanisch-englische Allianz, halten könnte. Deutschland im besonderen 
könnte gegen eine solche Kombination keinen Krieg im „Fernen Osten" 
führen, weil diese ihm ja sofort alle Kommunikationen dorthin abschneiden 
würde. Hiergegen würde auch ein etwaiges Bündnis mit Rußland nicht 
schützen. Fürst Bismarck sagte einmal, Deutschland werde seine afrikanischen 
Kolonien eventuell vor den Toren von Metz verteidigen. Ostasiatische Kolo 
nien lassen sich aber vor den Toren von Metz nicht verteidigen, sondern dazu 1 2 
1 Chrysanthemenblumen sind in Japan nationale Symbole. 
2 Fürst Ito (1841—1909), mehrmals japanischer Ministerpräsident, zuletzt General- 
resident in Korea, wo er ermordet wurde. 
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