1 „Hart in der Sache, milde in der Form. u
Ich predige keinen Krieg mit England, aber ich predige auch keinen
Frieden. Was ich rate, ist eine kaltblütige Verfolgung der deutschen mate
riellen Interessen, als ob es ein Großbritannien überhaupt nicht gebe.
Weder in Kleinasien noch im Fernen Osten brauchen wir uns viel darum
zu kümmern. Denn diese Leute hier haben den Krieg im Magen und werden
ihn verteidigen, solange das immer mit Wahrung der äußeren Dehors an
geht. Dagegen muß das Deutsche Reich fortdauernd auf ihre Tücken und
Intrigen gefaßt sein. Die ganze auswärtige Politik Großbritanniens ist
zur Zeit meiner Meinung nach im wesentlichen auf die Isolierung des
Deutschen Reiches gerichtet.
I'ortiter in rc, suaviter in modo 1 , ist unter allen Umständen ein gutes
Motto. Für das Verhältnis von Deutschland zu Großbritannien scheint
es wie gemacht. Unsere Diplomaten hier in London wissen das hoffentlich;
aber es ist gut, daß sämtliche politischen Faktoren in der Heimat sich stets
bewußt bleiben: in der britischen Politik haben wir zu rechnen nicht mit
juristischen Beamten, welche sich nach Gehaltserhöhung, Titeln und Orden
sehnen, sondern mit völlig unabhängigen Gentlemen, welche die Wechsel-
fälle dieses Erdenlebens kaltblütig hinnehmen. Mr. Balfour und Mr.
Chamberlain bleiben was sie sind, gleichviel, ob sie im Ministerium sitzen
oder nicht; und so ist es mit jeder politischen Persönlichkeit in England.
Man rechnet auf dem Kontinent mit den Schwächen des parlamentarischen
Systems in Großbritannien; man muß dort aber auch mit seiner Stärke
rechnen. Im allgemeinen, wie mir scheint, empfiehlt sich für unsere eng
lische Politik der Geist, wie er das Verhalten zweier gut erzogener Korps
in Heidelberg oder Bonn gegeneinander kennzeichnet. Nicht daß Groß
britannien die Rolle eines solchen Korps übernehmen würde. Aber die
kühle und höfliche Reserve, welche diese Verhältnisse beherrscht, ist zur
Zeit die gegebene Taktik unserer Diplomatie gegenüber England.