Full text: Gesammelte Schriften (3)

Der Friede szrvisch en Japan und Rußlands 
(idos) 
Der Friede von Portsmouth, welcher den Russisch-Japanischen Krieg 
beendigt*, ist in seinem Abschluß eine ebenso große Überraschung gewesen 
wie der Ausbruch und der ganze Verlauf des Krieges. Daß Japan im 
letzten Augenblick seinen ganzen Anspruch auf eine Kriegsentschädigung 
fallen lassen werde, konnte niemand erwarten. Sicherlich hat es dies nicht 
getan auf Grund der juristischen Klügeleien des Professors Maartens, 
welcher ausführte, Kriegsentschädigungen würden nur bezahlt, wenn die 
eine Seite das Land der anderen besetzt halte, gewissermaßen als Preis 
für die Räumung desselben. Zwar ist die Besetzung des feindlichen Gebiets 
immer und überall ein starkes Argument für die Zahlung einer Kriegs 
entschädigung. Aber im vorliegenden Fall hätten die drohende Vernichtung 
der Armee auch des Generals Linewitsch, die Unruhen daheim, welche die 
Rückziehung der Truppen aus dem Fernen Osten wünschenswert -erscheinen 
lassen mußten, und ähnliche Erwägungen nicht minder als Motive für die 
Annahme der japanischen Forderung wirken können — wenn ihre Ab 
lehnung die unabsehbare Fortsetzung des mörderischen Krieges bedeutet 
hätte. In solchen Fällen entscheiden nicht juristische Betrachtungen, sondern 
die Machtfaktoren und die realen Verhältnisse. 
Noch unhaltbarer ist das Gerede der englischen und amerikanischen 
Zeitungen für das plötzliche Einschwenken Japans. „O welcher Edelsinn, 
welche Großmut!" Das ist abgeschmackt und heißt der Urteilslosigkeit des 
Lesers etwas zu viel zumuten! Wenn der Mikado? und seine Berater dem 
Russischen Reich aus Großmut 120 Mill. £ geschenkt hätten, so würden 
sie verdienen, vom japanischen Volk zur Rechenschaft gezogen zu werden. 
Davon kann natürlich auch keine Rede sein. Wenn Japan diejenige Forde 
rung fallen ließ, an welcher, wie die Dinge standen, der Abschluß des 
Friedens hätte scheitern müssen, so geschah dies, weil es den Frieden aus 
staatsmännischen Erwägungen für vorteilhaft hielt. Wie weit militärische 
Gesichtspunkte oder finanzielle Notwendigkeiten hierbei mitsprachen, daS 
läßt sich für den Außenstehenden nicht übersehen. Ebensowenig läßt sich ver 
anschlagen, inwieweit diplomatischer Druck von außen bei der Entscheidung 
vom vorigen Sonntag mitgewirkt hat. 1 2 
1 Vgl. S. 114. 
2 Mutsuhito (1852—1912), seit 1868 Kaiser von Japan (.Meiji Tenno).
	        
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