Full text: Gesammelte Schriften (3)

Englische Annäherung 
01912) 
Als die liberale Regierung vor der Eröffnung des Parlaments stand, 
dachte sie, es würde einen guten Eindruck auf die friedensliebenden Flügel 
der radikalen Partei machen, wenn sie eine deutsche Entente auf den Tisch 
des Hauses legen könnte. „Es handelt sich darum, den richtigen Mann 
nach Berlin zu schicken." — Das kann nur Lord Haldane sein, unser 
glänzender Kriegsminister 0' hat er nicht vor kurzem einen vorzüglichen 
Vortrag über die deutsche Kultur gehalten? Hat er nicht in seinen jungen 
Jahren die „Welt als Wille und Vorstellung" ins Englische übersetzt? Ist 
er nicht ein Verehrer der guten alten Zeit in Deutschland? Würde er 
nicht mit Begeisterung helfen, das Zeitalter Goethes und der deutschen 
Romantik zurückzuführen? Also los! 
Lord Haldane reist nach Berlin. Was für Vorschläge er hinüberbrachte, 
ist weder hier noch drüben gemeldet. Deutschland und Großbritannien sollen 
gleiche Interessen in Persien und China haben. Dies ist am Ende eine 
Phrase, um die der Kriegsminister sich nicht nach Berlin zu bemühen 
brauchte. Beide Staaten wollen gegenseitige Spionage verbieten. Das 
werden am Ende zu jeder Zeit höfliche Staatsmänner irgend zweier Länder 
sich erklären. Lord Haldane wolle einen Vorschlag machen, die Walfisch 
bucht gegen eine Grenzregulierung, also wohl am „Caprivizipfel", aus 
zutauschen. Das kommt ein wenig zu spät, nachdem Deutschland an 
100 Millionen auf Swakopmund und die Bahnen von dort ins Innere 
verwendet hat. So verlautet es, so flüstert man. Recht banale Redens 
arten! Vereinbarungen über den Flottenbau lassen sich zwischen zwei Groß 
mächten nicht verabreden, belehrt bei dieser Gelegenheit die Londoner 
Presse. Vor einigen Jahren, plaudert die „Pall Mall Gazette" aus, habe 
man in der Tat eine Vereinbarung in dieser Richtung getroffen. Wirklich 
habe die deutsche Admiralität die genauen Ziffern des kommenden Jahres- 
budgetö an die Admiralty in London übersandt. Lord Macnamara^ habe 
diesen Ziffern entsprechend auch nur vier Dreadnoughts ^ bestellt. Aber er 
habe die deutschen Angaben für unwahr gehalten und deshalb neben diesen 
offiziellen gleich vier geheime Kiele legen lassen. So seien es acht ge- 1 2 
1 Über seine Heeresreform nach preußischem Muster vgl. S. 111. 
2 Thomas James Macnamara, Parlamentarischer Sekretär der Admiralität 1908-1912.
	        
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