Full text: Gesammelte Schriften (3)

Englische Annäherung 
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Bon solcher Anglomanie gibt mir jeder Besuch Ln Deutschland neue Be 
weise. „Ceterum censeo 1 .“ Dies Sich-an-den-Hals-Werfen muß den 
selbstbewußten Bewohnern Albions naturgemäß Verachtung einflößen. 
Wenn acht Deutsche zusammen mit einem Engländer am Tisch sitzen, rade 
brechen sie alle Englisch. Sie drängen sich zu seiner Bekanntschaft. Sie 
zwingen ihn geradezu, unser Volk als eine niedrige Rasse zu be 
trachten, etwa wie Botokuden oder Manjemas. Ich kann leider 
diesen Punkt bei meiner Besprechung des Verhältnisses der beiven Nationen 
niemals umgehen. Sollte es wirklich ganz hoffnungslos sein, hier eine 
Wendung zu schaffen? Wenn das der Fall ist, dann nützt auch alle über 
legene Leistung im Krieg und Frieden nichts Wesentliches. 
Vor einiger Zeit hieß es in der deutschen Presse, eine neue Ära unserer 
auswärtigen Politik stehe bevor, das Reich werde auf die Gesichtspunkte 
des alten „Drei-Kaiser-Bündnisses" zurücklenken. Ich weiß nicht, ob dies 
nicht nur eine der Schaumblasen war, wie sie unsere Presse von Zeit zu 
Zeit ausstößt. Im übrigen ist die deutsch-russische Entente seit Friedrich 
dem Großen immer noch die gesundeste Grundlage der norddeutschen 
Politik gewesen. Aber es fragt sich, ob das russische Volk sie heute noch 
mitmacht. Sicherlich wird die große chinesische Revolution, welche die 
älteste und großartigste Monarchie auf der Erde weggefegt hat, weiter 
demokratisierend auf den Slawenstaat zurückwirken. Das Slawentum als 
solches steht unserem Volkstum feindlich gegenüber. Großbritannien ist in 
der glücklichen Lage, der Staatsverfassung nach Berührungspunkte nack- 
allen Seiten zu haben, da es selbst sich zur Zeit zu einer Demokratie mit 
dauerndem monarchischem Vorsitz entwickelt hat. Da aber volkswirtschaft 
liche Interessen die Politik der Völker heute bestimmen, wäre es die Frage, 
ob nicht die deutsch-französische Entente trotz allem sich erreichen und in 
Form eines Zollvertrags verwirklichen ließe. Dies wäre sicherlich ein Weg, 
welcher zu einer Erleichterung des waffenstarrcnden Festlandes führen 
könnte. 
1 Anfang der Formel: ,,Jm übrigen meine ich, daß Karthago zerstört werden muß u , mit 
der Cato alle seine Reden im römischen Senat zu schließen pflegte.
	        
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