Die Weltlage
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gelten muß. Die Vereinigten Staaten würden im kommenden Weltkonflikte
sicherlich beiseite stehen und die Rolle des Lsrtius Aauäsiwi im vollsten
Maße sich zunutze machen.
Was die Friedcnswünsche oder die Kriegsgelüste der einzelnen Mächte
anbetrifft, so ist es freilich richtig, daß kein Volk heutzutage sich leichten
Herzens in einen Krieg stürzen wird. Aber das wird sich mit vollster
Sicherheit aussprcchen lassen, daß Großbritannien, sobald es dies mit leid
lichen Aussichten auf Erfolg tun kann, alles aufbieten wird, um die
deutsche Flotte, welche ihm direkt gefährlich ist, von der See zu entfernen.
Ganz gleich, welche Absichten und Zwecke das Deutsche Reich mit seinen
Kriegsschiffen haben mag, eine starke Flotte in der Nordsee gegenüber der
Themsemündung an sich bedroht die Daseinsbcdingungen des britischen
Volkes als solche, und ein klarblickender britischer Staatsmann muß ihre
Vernichtung als das wesentlichste Ziel seiner Politik betrachten. Jede andere
Erwägung, etwaige Rivalitäten im Westen wie im Osten, treten vor dieser
ersten Pflicht zurück. Darüber helfen keinerlei Reichötagsreden, Friedens
erklärungen und sonstige Freundschaftsversicherungen hinweg. In London
ist man völlig überzeugt, daß zum Beispiel Kaiser Wilhelm II. keinen An
griff gegen Großbritannien plant. Man kennt unseren Kaiser an der
Themse zum mindesten ebenso genau wie in Deutschland. Aber man rechnet
mit den Wirklichkeiten, und darunter steht in erster Linie die Tatsache,
daß in der deutschen Seemacht die größte Gefahr für die britische Macht
stellung auf der Erde im Heranwachsen ist, welcher der gewaltige Insel
staat jemals gegenübergestanden hat, trotz der Armada und den Napoleo
nischen Heeren.
Genau so ist das französische Volk von heute an sich wesentlich friedlich
gesinnt. Genügend Renten ansammeln, um ein ruhiges, bescheidenes Aus
kommen im Alter zu haben, das ist daö Ideal des französischen Bürgers.
Aber dennoch wird jeder französische Staatsmann gegen Deutschland los
schlagen, sobald er eine hinreichende Gewähr vor sich sieht, Elsaß-Lothringen
mit der Nheingrenze durch einen Krieg, selbst auf Leben und Tod, zurück
erobern zu können. Diese Sehnsucht in allen französischen Seelen ist nicht
etwa im Schwinden; nein, sie ist von Jahr zu Jahr im Anschwellen. Man
weiß nun in Frankreich ganz gut, daß die Französische Republik allein mit
dem Deutschen Reich von heute es nicht aufnehmen könnte. Aber seit die
1 „Der lachende Dritte. 11