Ziele der deutschen auswärtigen Politik
463
setzen dürfe"? Ja, ich kann ihm immerhin drei solche Ziele nennen, derent
wegen das Risiko eines Weltkrieges sich verlohnen würde. Aber ich behalte
mir vor, ihm diese Wertobjekte einmal persönlich zu kennzeichnen. Eine
öffentliche Diskussion solcher wäre das Verkehrteste, was wir tun könnten.
Jedenfalls kenne ich meine Landsleute mittlerweile zu gut, um sie über
haupt auf den Weg einer Eroberung hinzuweisen. Aber weshalb wir
Deutschen einem Kriege ängstlicher ausweichen sollten als andere Völker,
als zum Beispiel Frankreich, das vermag ich nicht einzusehen. Beim Aus
weichen auf dem Bürgersteig im Privatverkehr liegt die Pflicht beiden
Passanten ob. Weshalb soll dies im politischen Leben anders sein! — Das
wehrgewaltige Deutsche Reich kann doch wohl immerhin gleiche Behand
lung mit den fremden Staaten verlangen. Diese Gleichbchandlung ver
mögen aber viele denkende Landsleute bei der Aufteilung der Erde für
uns nicht mehr zu erkennen. Deshalb wächst der Pessimismus in der
deutschen Nation, nicht aber etwa aus angeborener Nörgelsucht. Gerade
die tüchtigsten nationalen Elemente in Deutschland sind mit den realen
Ergebnissen unserer auswärtigen Politik unzufrieden, darüber helfen noch
so viele offiziöse Beschwichtigungsversuche und schönfärberische Redens
arten nicht hinweg.
Deutschland ist bei der Aufteilung Nordafrikas leer ausgegangen und
steht ernstlich in Gefahr, auch bei der Aufteilung der weiten Landflächen
Vorder- und Mittelasiens von neuem das Nachsehen zu haben. Wenn ein
sichtige Patrioten auf diesen Mißstand hinweisen, wird ihnen von der Gegen-
I Partei vorgeworfen, sie wollten das Vaterland in einen Weltkrieg stürzen.
Ich glaube, das Deutsche Reich würde einen Weltkrieg nicht zu fürchten
haben, wenn er ihm von außen aufgedrängt würde. Aber wozu bezahlen
wir denn eine Diplomatie, wenn sie nicht imstande ist, unsere kolossale
Machtmasse derart zur Geltung zu bringen, daß wir auf friedlichem Wege
die Ausbreitung auf der Erde erzielen können, welche eine nüchterne Er
wägung unserer wirtschaftlichen Zukunft erfordert! Ich wiederhole noch
einmal, daß für solche Erfolge die schablonenhaften Mittel der Alltagsdiplo
matie nicht ausreichen, sondern daß es dazu einer kühnen Initiative und
einer kaltblütigen Berechnung der in Frage kommenden Machtfaktorcn,
unter Umständen auch eines nüchternen Wagemutes bedarf. Hiervon aber
läßt der Rückblick auf unsere letzte Geschichtsepoche nur ausnahmsweise
einmal eine Spur erkennen: und dann regelmäßig nur in Worten, nirgend
aber einmal in einer männlichen Tat.