Was und wie sind die Engländer?
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Ein bekannter Schriftsteller (Houston Chamberlain) veröffentlichte vor
kurzem in einer Berliner Tageszeitung einen Aufsatz über England, in
welchem er erklärte, die Engländer seien eine Doppelrasse: Angelsachsen
und Normannen; reinere Germanen als die Deutschen selbst. Dabei über
sieht er meiner Ansicht nach das wesentliche Element des englischen Volkes:
die Kelten, welche gerade in dem letzten Jahrzehnt auf allen Gebieten des
öffentlichen Lebens mehr und mehr hervortreten und die Rassenzugehörig-
kcit des englischen Volkes heutzutage bestimmen. Die Engländer von heute
sind kaum noch eine blonde Nation zu nennen; sie sind weit näher mit den
Franzosen als mit den Deutschen verwandt.
Nun ist in den letzten Jahren mit der größeren Demokratisierung des
Volkes und auch der Verfassung mehr und mehr, wie ich schon sagte, der
keltische Bestandteil in den Vordergrund getreten. Ihr eigentlicher Führer
ist Lloyd George, und er ist wohl auch der kommende Premierminister von
England. Wenn man durch die großen Restaurationen von London abends
schreitet, zum Beispiel durch das Savoy-, das Trocadero-, das Carlton-
Hotel, fällt einem auf, wie sehr das blonde Element hinter dem schwarzen
zurücktritt. Alles ist dunkelhaarig. So ist das heutige England.
Ebenso glaube ich, irrt sich Chamberlain, wenn er die Deutschen, im
Gegensatz zu den Engländern, eine einheitliche Rasse nennt. Er vergißt die
große Beimischung, welche das keltische Element den Süddeutschen ge
geben hat, und den slawischen Einfluß auf die östlichen Provinzen Deutsch
lands. Außerdem waren die Franken und Sachsen, auf denen das gegen
wärtige Deutschland eigentlich beruht, jahrhundertelang durch Religion und
Sprache scharf getrennt und fast so verschieden wie zum Beispiel Franken
und Römer. Ein einheitliches Deutschtum gibt es ebensowenig wie ein ein
heitliches Engländertum. Aus der Verschiedenheit ihrer Zusammensetzung
ergeben sich auch die verschiedenartigen Eigenschaften der Engländer. Der
Engländer, wenn man damit den blonden, angelsächsischen Typuö meint,
ist in der Tat gastfreundschaftlich, entgegenkommend, hilfsbereit gegen den
einzelnen Fremden. Aber wo die Masse der unteren Volksklassen in Frage
kommt, da ist er heißblütig, roh und gemein. Genau wie der Pöbel in