Full text: Gesammelte Schriften (3)

Die Lüge als Kriegswaffe 
477 
ständen. Demgegenüber muß ich immer wieder darauf Hinweisen, daß doch 
die Verbündeten im vorigen Sommer auszogen mit der Absicht, sich 
wenigstens in zwei Monaten in Berlin zu treffen. Mr. Asquith hatte die 
Dummdreistigkeit, schon im August vorigen Jahres im Parlament amtlich 
seine Friedensbedingungen bekanntzugeben. Diese bestanden darin, daß 
Deutschland Elsaß-Lothringen an Frankreich, Schleswig-Holstein an Däne 
mark, Ost- und Westpreußcn an Rußland, Helgoland an das Britische 
Reich abtrete. Ob man dem König von Preußen ferner noch erlauben 
werde, sich Deutscher Kaiser zu nennen, müsse man sich überlegen. Das 
sprach der britische Premierminister offiziell aus, und heute wirft man 
Deutschland vor, daß es seine Offensive nicht rückhaltloser durchgeführt 
habe. 
Ein großer Fehler bleibt diesem Lügensystem. Das liegt in der Tat 
sache, daß die eigenen Bürger und die Völker der Erde schließlich hinter 
die Verlogenheit kommen. In einem alten Volksspruch heißt es schon: 
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit 
spricht." Was tut man aber dem, der immer nur Lügen verbreitet? Natur 
gemäß muß auch der neutrale Dritte schließlich erstaunen, wie bei so un 
ausgesetzten Siegen Joffre und French dauernd in Frankreich stchen- 
bleiben, wie Generalfeldmarschall v. Hindenburg bei den großen russischen 
Erfolgen nicht auf dem Rückmarsch auf Berlin ist, sondern vor Warschau 
mit seinen Truppen steht. Britische Minister prahlten, noch niemals habe 
ein Seekrieg mit einem so glänzenden Erfolge für England geendet als 
wie der gegenwärtige. Es ist noch nicht aller Tage Abend, und nach unserer 
Meinung steht der eigentliche Seekrieg noch bevor. 
Alles in allem genommen, haben die Erfolge, welche eine der streiten 
den Parteien durch Lügen erzielen kann, sehr kurze Beine, und die Wahr 
heit bleibt bestehen. Dies ist nicht mehr das England, welches vor hundert 
Jahren den Kampf gegen Napoleon durchführte. Lord Kitchener, welcher die 
Sitten barbarischer Stämme auf den Boden Europas übertragen hat, hat 
damit das Empfinden des britischen Volkes selbst bis auf den Kern ver 
dorben. Wir werden ja sehen, welche Ernte er aus diesem Kriege heim 
bringen wird. 
Das erste Ergebnis seiner Maßnahmen ist jedenfalls eine Volks 
verbitterung, welche überhaupt nicht wieder auszugleichen sein wird. Die 
Pöbelaufstände in London erinnern mehr an das Paris der Französischen 
Revolution als an das, was wir als angelsächsisch kannten. Die Recht-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.