Die Lüge als Kriegswaffe
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ständen. Demgegenüber muß ich immer wieder darauf Hinweisen, daß doch
die Verbündeten im vorigen Sommer auszogen mit der Absicht, sich
wenigstens in zwei Monaten in Berlin zu treffen. Mr. Asquith hatte die
Dummdreistigkeit, schon im August vorigen Jahres im Parlament amtlich
seine Friedensbedingungen bekanntzugeben. Diese bestanden darin, daß
Deutschland Elsaß-Lothringen an Frankreich, Schleswig-Holstein an Däne
mark, Ost- und Westpreußcn an Rußland, Helgoland an das Britische
Reich abtrete. Ob man dem König von Preußen ferner noch erlauben
werde, sich Deutscher Kaiser zu nennen, müsse man sich überlegen. Das
sprach der britische Premierminister offiziell aus, und heute wirft man
Deutschland vor, daß es seine Offensive nicht rückhaltloser durchgeführt
habe.
Ein großer Fehler bleibt diesem Lügensystem. Das liegt in der Tat
sache, daß die eigenen Bürger und die Völker der Erde schließlich hinter
die Verlogenheit kommen. In einem alten Volksspruch heißt es schon:
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit
spricht." Was tut man aber dem, der immer nur Lügen verbreitet? Natur
gemäß muß auch der neutrale Dritte schließlich erstaunen, wie bei so un
ausgesetzten Siegen Joffre und French dauernd in Frankreich stchen-
bleiben, wie Generalfeldmarschall v. Hindenburg bei den großen russischen
Erfolgen nicht auf dem Rückmarsch auf Berlin ist, sondern vor Warschau
mit seinen Truppen steht. Britische Minister prahlten, noch niemals habe
ein Seekrieg mit einem so glänzenden Erfolge für England geendet als
wie der gegenwärtige. Es ist noch nicht aller Tage Abend, und nach unserer
Meinung steht der eigentliche Seekrieg noch bevor.
Alles in allem genommen, haben die Erfolge, welche eine der streiten
den Parteien durch Lügen erzielen kann, sehr kurze Beine, und die Wahr
heit bleibt bestehen. Dies ist nicht mehr das England, welches vor hundert
Jahren den Kampf gegen Napoleon durchführte. Lord Kitchener, welcher die
Sitten barbarischer Stämme auf den Boden Europas übertragen hat, hat
damit das Empfinden des britischen Volkes selbst bis auf den Kern ver
dorben. Wir werden ja sehen, welche Ernte er aus diesem Kriege heim
bringen wird.
Das erste Ergebnis seiner Maßnahmen ist jedenfalls eine Volks
verbitterung, welche überhaupt nicht wieder auszugleichen sein wird. Die
Pöbelaufstände in London erinnern mehr an das Paris der Französischen
Revolution als an das, was wir als angelsächsisch kannten. Die Recht-