Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

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I. Abschn. 2. Kap.: Arbeit. 
dafs er sich zeichnen läfst. Im ersten Fall ist A Arbeitnehmer, im 
zweiten ist B Arbeitnehmer. Aber dafs dem rechtlich so ist, hindert 
nicht, dafs im ersten Fall auch B Arbeit verrichtet, und dafs im 
zweiten Fall auch A Arbeit verrichtet: die Thätigkeiten von A und 
B sind in beiden Fällen die nämlichen. . Man denke ferner z. B. an 
eine Geschäftsbesorgung , die als reine Gefälligkeit, oder auf Grund 
einer Auslobung, oder als negotiorum gestio, oder in Führung der 
Vormundschaft, oder in Bethätigung väterlicher Sorge für Person 
oder Vermögen des Kindes, oder in Vollzug eines Auftragsvertrags 
vorgenommen werden kann und überall ebenso Arbeit ist, wie wenn 
sie, was ebenso möglich, gegen Entgelt aus einem Arbeitsvertrag voll- 
führt wird (s. auch oben S. 38). 
{V. Wenn die in Rede stehenden objektiven Merkmale einer mensch- 
lichen Thätigkeit den Charakter der Arbeit (als möglichen Gegen- 
stand des Arbeitsvertrags) verleihen, so ist die Auffassung, die das 
Subjekt selbst von seiner Thätigkeit hat, gleichgültig. Dafs sie ihm 
selber als Arbeit erscheint, er sie etwa wegen der mit ihr verbundenen 
Anstrengung als Arbeit empfindet, kann sie nicht zur Arbeit machen, 
wo jene Merkmale fehlen. Demnach ist‘das reine Nachdenken oder 
die blofse Beobachtung von Naturerscheinungen, oder die Betrachtung 
von Kunstwerken, oder das Lesen von Büchern, mit welcher Tiefe, 
Hingabe und Ausdauer dies auch betrieben werde, nicht Arbeit (im 
hier gültigen Sinn), da es keines anderen Menschen Bedürfnis zu be- 
friedigen vermag und wohl auch nie und nirgends entgolten wird‘. 
Und umgekehrt mag jemand seine eigene Thätigkeit statt als Arbeit 
als Spiel oder Erholung betrachten — wie das Rudern, das Holz- 
hacken, das Herrenreiten (bei Wettrennen) — oder als Verrichtung 
von Werken der Barmherzigkeit — wie die Krankenpflege —, so 
mufs sie doch, weil sie die erwähnten objektiven Merkmale trägt, als 
möglicher Gegenstand des Arbeitsvertrags angesehen, als Arbeit an- 
gesprochen werden. 
Wo jene Merkmale vorhanden sind, kommt es auf die MOo- 
tive, welche die Thätigkeit hervorrufen oder im Gang erhalten, 
nicht an. Das Reichsversicherungsamt hat entschieden?, ein drei- 
gezeichnetes Blatt, bestimmt; dies schliefst aber nicht aus, dafs er auch die 
Zeichenarbeit entgilt. Zur Erläuterung braucht man nur an den Fall zu 
denken, dafs dem B gegen Entgelt von A eine fertige Landschaftszeichnung 
gewährt wird, welchenfalls ihm nicht Arbeit geleistet, sondern eine Sache 
verkauft wird. 
! Anders als das Vorlesen, oder das Lesen und Begutachten u. 8. w. 
2 Deutsche Juristenzeitung 1899 S. 158.
	        
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