Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

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I., Abschn. 3. Kap.: Entgelt, 
Tarifvertrags, verfolgt. Wie auf der Arbeitgeberseite diese moralisch 
gebotene Solidarität in der Nichtanstellung von Arbeitern, die durch 
Koalitionsgenossen ausgesperrt worden sind, so kann sie auf der Ar- 
beitnehmerseite in der Nichtleistung sogenannter Streikarbeit bestehen, 
d. h. in der Nichtausführung von Arbeiten, die infolge der Arbeits- 
niederlegung von Koalitionsgenossen deren früherer Arbeitgeber nicht 
ausführen zu lassen vermag. Wird den stehen gebliebenen Arbeitern 
eines anderen Betriebes diese Ausführung von ihrem Arbeitgeber zu- 
gemutet, so wird damit eine Arbeit von ihnen verlangt, die sie ohne 
Verletzung einer allgemeinen Moralpflicht nicht leisten können. Die 
Koalitionsmoral verbietet Handlungen, die den Koalitionsgenossen 
schädlich sind. Mag immerhin die nämliche Moral dem Arbeitgeber 
gebieten, den eigenen Genossen zu helfen, indem er die Streikarbeit 
ausführen läfst, so liegt doch die hierauf gerichtete Anordnung aufser- 
halb der auch von ihm anzuerkennenden Moralschranken; er mufs 
daher den Widerstand seiner Arbeitnehmer gelten lassen. Die Be- 
folgung seiner Direktion kann gültig verweigert werden, es wird damit 
nicht verweigert, „einer nach dem Arbeitsvertrag obliegenden Pflicht 
nachzukommen“ (GewO. 8 123 Nr. 3), diese Weigerung ist kein 
Entlassungserund!. 
Drittes Kapitel. ; 
Entgelt. 
I. Der ‚zweite der beiden wesentlichen Bestandteile, die den 
Arbeitsvertrag bilden, ist die Vereinbarung: des Entgelts oder ‘der 
Entgeltleistung. Der Entgelt oder die Entgeltleistung ist die dem 
Arbeitgeber obliegende, von ihm dem Arbeitnehmer zu machende 
Leistung. Der Name „Entgelt“ für die Entgeltleistung oder ihren 
Gegenstand kommt in den Gesetzen und im Leben nicht oft vor”®. 
Häufiger finden sich andere Bezeichnungen, nämlich Vergütung, Lohn 
1 Anders hat das Reichsgericht entschieden. Das Reichsgericht nimmt 
aber auf die der Direktion der Arbeit gezogenen Schranken keine Rücksicht, 
indem es erklärt: „Das Recht kann dem Dienstherrn nicht zumuten, sich der 
rechtswidrigen Arbeitsweigerung seiner Arbeiter zu fügen.“ Urteil vom 
9. November 1900: Gewerbegericht VI, 121. 122. Soziale Praxis X, 417/18. 
Das Recht kann vielmehr dem Arbeitnehmer nicht zumuten, sich der moral- 
widrigen Arbeitsanordnung seines Arbeitgebers zu fügen und kann, ohne sich 
selbst zu untergraben, in der Nichtbefolgung einer solchen Anordnung nicht 
eine rechtswidrige Arbeitsweigerung erblicken. 
? Von den Gesetzen bieten ihn HGB. 8 59: „Wer in einem Handels- 
gewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist
	        
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