Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

X. Arbeit nebenher als Entgelt. Naturalvergütung. 163 
sein soll — ihre Art ist eine der S. 129 erwähnten Entgeltbestim- 
mungen. Diese Vertragsfreiheit kann beschränkt sein entweder durch 
eine gesetzliche Verfügung, vermöge deren (z. B. bei Beförderung 
von Personen und Gütern durch Eisenbahnen!) nur Geldvergütung 
statthaft ist, oder durch einen Tarifvertrag, der den Umfang der 
Vergütung und damit auch deren Art festsetzt, oder der eine gewisse 
Art der Vergütung ausschlielst 2, 
Soweit die Vertragsfreiheit in Ansehung der Vergütungsart nicht 
beschränkt ist®, kann die Art der Vergütung auch stillschweigend 
vereinbart werden, namentlich sich aus den Umständen ergeben. Wer 
z. B. sich Arbeit auf der Stör ausbedingt, sichert damit dem Arbeit- 
nehmer (neben der ausdrücklich zugesagten Geldvergütung) auch Ver- 
köstigung zu. Kost und Wohnung werden dem Arbeitnehmer still- 
schweigend versprochen, wenn er der vereinbarten Arbeit nach 
als Wirtschafterin, Dienstbote, Gutsinspektor gedungen wird. Wird 
dem Gastwirtsgehülfen kein Geldlohn oder Geldlohn von gewisser 
Geringfügigkeit gewährt, so wird damit als Vergütung auch die Ge- 
legenheit zum Trinkgeldverdienst versprochen, selbst wenn diese Ein- 
kommensquelle im Vertrag nicht erwähnt worden ist*. 
Ist von den Parteien keine Bestimmung über die Art der Ver- 
gütung (weder ausdrücklich noch stillschweigend) im Vertrag getroffen 
worden, so muß auch die Höhe der Vergütung unbestimmt geblieben 
sein: denn ihre Höhe läfst sich nicht ohne Angabe ihrer Art be- 
stimmen. Wo aber die Höhe — sei es allein, sei es samt der Art — 
im Vertrag unbestimmt geblieben ist, greifen die unter Nr. IV be- 
sprochenen Regeln Platz, von denen mehrere auf Taxen, auf das 
Übliche oder auf den Ortsgebrauch als ergänzende Normen ver- 
weisen. — 
Man kann alle Arten der Vergütung aufser der Geldleistung, 
nämlich die anderen Gaben (S. 156), die Arbeiten (S. 157—162) 
und die Unterlassungen (S. 156) der Geldvergütung gegenüberstellen 
and unter dem Namen „Naturalvergütung“ oder „Naturallohn“ 
! EisenbahnverkehrsO. $ 7. 
2 So ein Tarifvertrag, welcher Gewährung von Kost und Logis durch 
den Arbeitgeber abschafft. 
3 Es soll in Abschnitt V Kapitel 2 gezeigt werden, dafs das Truckverbot 
der GewO. 8 115 zu diesen Schranken nicht gehört. 
‘4 z, B. eine Münchner Kellnerin, die monatlich 8 Mk. bar und die Kost 
aufser Frühstück erhält, aber monatlich 15 Mk. an das „Wassermädel“, und 
an den Wirt 6 Mk, für die „Krügelputzfrau“ nebst 2,10 Mk. als Kranken- 
und Invalidengeld entrichten mufs,
	        
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