XI. Empfänger.
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minderjährigen Arbeitern verdiente Lohn an die Eltern oder Vor-
münder und nur mit deren schriftlicher Zustimmung oder nach deren
Bescheinigung über den Empfang der letzten Lohnzahlung unmittelbar
an die Minderjährigen gezahlt wird.“ Eine solche Festsetzung bezieht
sich nur auf diejenigen Minderjährigen, die zu den gewerblichen Ar-
beitern des siebten Titels der GewO. gehören (nebst den von $ 119%
gemeinten Hausindustriellen), und als solche einen Arbeitsvertrag ge-
schlossen haben in einem vom Statut betroffenen Gewerbebetrieb. Wo
ein solches Statut besteht, ist die von BGB. 8 113 geregelte Ermäch-
tigung des gesetzlichen Vertreters nicht hinreichend, nämlich «lie
Gültigkeit der Lohnzahlung an den Minderjährigen davon abhängig,
lafs dessen gesetzlicher Vertreter jener Lohnzahlung schriftlich zu-
gestimmt oder den Empfang des zuletzt gezahlten Lohnes bescheinigt
hat. Außer dieser Erschwerung des Erwerbs der Geschäftsfähigkeit
für den Empfang der Vergütung soll das Statut noch vorschreiben,
lafßs der Lohn an den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen ent-
richtet werden kann, d. bh. nicht an den Gläubiger, sondern an einen
Dritten. Das Statut vermag. nur festzusetzen, dafs die Vergütung
an den Dritten entrichtet werden kann mit der Wirkung der Erfüllung.
Es vermag nicht den Minderjährigen seines Forderungsrechts zu
Gunsten der Eltern oder Vormünder zu entkleiden, und es vermag
auch nicht diese Personen neben dem Arbeitnehmer forderungs-
berechtigt zu machen ?.
Die Regel, dafs die Vergütung dem Arbeitnehmer zu entrichten
ist, wird im erörterten Fall durch eine einseitige (gesetzliche oder
gesetzartige) Verfügung durchbrochen. Es kann ebenso durch eine
Abrede zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmt werden,
laß die Vergütung gänzlich oder teilweise an einen Dritten entrichtet
werden könne oder entrichtet werden solle. Da hierdurch der Schuldner
(Arbeitgeber) in den Stand gesetzt wird, sich durch Zahlung an einen
Dritten zu liberieren und ebenso dem Dritten eine Einwirkung auf
ı BGB, $ 362 Abs. 2 gehört nicht hierher; denn die dort in Bezug ge-
nommenen Vorschriften des 8 185 sind unanwendbar, weil der gesetzliche
Vertreter mit seiner Empfangnahme nicht als „Nichtherechtigter“ über den
Lohn verfügt,
2? Die Zweckmäfsigkeit der durch GewO. $ 119® Abs. 2 Nr. 2 zugelassenen
statutarischen Bestimmungen ist oft in Abrede gestellt, und daher von dem
Recht, solche Bestimmungen zu treffen, selten Gebrauch gemacht worden.
Nach Nothhardt in Zeitschr. f. d. gesamte Staatswissenschaft 55, 366 (1899)
bestehen solche Bestimmungen in etwa 50 Gemeinden und 7 Kommunalver-
bänden. S. auch Jahresberichte der preufs. Gewerberäte für 1899 S. 71 (die
jungen Leute zwingen ihre Eltern, die schriftliche Bescheinigung auszustellen).