Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Inneres Verhältnis der entgoltenen Leistungen. 191 
es sind zwei Verträge, wenn ein möbliertes Zimmer gegen Entgelt 
zum Gebrauch überlassen und dem Bewohner gegen Entgelt Bedienung 
versprochen wird, auch wenn Mietgeld und Arbeitslohn in einer 
Summe ausbedungen werden. Die nämliche Einheit (indem etwa die 
Summierung der Posten außerhalb des Vertrags und im Kopfe vor 
sich geht) findet sich gewöhnlich, wo die Absorption der einen Leistung 
durch die andere erfolgt, z. B. im Vertrag des Privatkunden mit dem 
Buchbinder !, 
Liefert sonach weder die Einheit der Zeit der Vertragschliefsung 
noch die Einheit des Entgeltes — die beide äufserliche Kenn- 
zeichen sind — einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Entscheidung, 
db Kumulation oder Absorption anzunehmen sei, so bietet sich wie 
von selbst als Kriterium das innere Verhältnis dar, in welchem die 
entgoltenen Leistungen zu einander stehen”. Dieses Verhältnis ist 
entweder das der relativen Selbständigkeit oder das der relativen 
Unselbständigkeit. Wo die Leistungen, obwohl nebeneinander aus- 
bedungen, jede ihre Selbständigkeit gegenüber der anderen bewahren, 
bildet jede den Gegenstand eines besonderen Vertrags; wo dies nicht 
der Fall ist, findet Absorption statt, wie nachher 'an den mafsgebenden, 
gesetzlich geregelten Fällen gezeigt werden soll. 
Die Selbständigkeit der Leistungen, ihre Unabhängigkeit von 
einander besteht darin, dafs die eine der anderen für den Vollzug 
nicht bedarf, nicht eine durch die andere ermöglicht wird, mag auch 
der Empfänger oder Gläubiger die eine um der anderen willen sich 
ausbedungen haben, weil seinem Interesse mit der einen allein nicht 
gedient ist. Hierdurch wird nichts daran geändert, dafs jede isoliert 
durch den Schuldner vollzogen werden kann. 
Diese ihre Selbständigkeit tritt da am unverkennbarsten hervor, 
wo die Leistungen zeitlich einander folgen: wie wenn jemand an der 
Theaterkasse sich eine Eintrittskarte zur Oper nebst einem Textbuch 
verabfolgen, vom Händler eine Nähmaschine oder ein Fahrrad liefern 
and Unterricht im Gebrauch erteilen, durch den Bauer Brennholz vom 
Markte vors Haus führen und daselbst zerkleinern und lagern, vom 
Weinhändler ein Faß Wein liefern und durch denselben (d. h. dessen 
Küfer) auf Flaschen ziehen, vom Fabrikanten einen Kochherd liefern 
und unter Fortnahme des alten setzen läfst. Alle die an erster Stelle 
1 Vgl. BeschlG. 8 3: „Ist die Vergütung mit dem Preise oder Wert für 
Material oder mit dem Ersatz anderer Auslagen in ungetrennter Summe 
bedungen .. .“ (oben 5. 189). 
2 Nicht der Parteiwille, worauf Riezler, Werkvertrag S. 49, abstellt.
	        
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