Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Kriterium: relative Selbständigkeit u. Unselbständigkeit, 195 
ziehung, ein Kranker einer Heilanstalt übergeben wird — in welchen 
Fällen neben Arbeit Sachleistung, nämlich die Gewährung von Wohnung 
und Kost, ausbedungen wird —, nur ein Vertrag angenommen werden, 
weil die Leistungen nicht selbständig nebeneinander stehen, vielmehr 
die Arbeiten ohne die auflserdem zu machenden Leistungen nicht aus- 
führbar sind. In Fällen dieser Art handelt es sich nicht um Her- 
stellung einer Sache. Und nicht um Herstellung einer Sache 
handelt es sich einmal, wo Sachen zur Bearbeitung (Vernickelung, 
Vergoldung , Versilberung, Färbung, Appretur) hingegeben werden; 
lie Veräufserung der diesen Sachen bei der Veredelung einverleibten 
Stoffe ist eine gegenüber der Arbeit unselbständige Leistung, die als 
auf die Arbeit gemachte Aufwendung von der Arbeitsleistung ab- 
sorbiert wird. Nicht um Herstellung einer Sache handelt es sich 
ferner, wo die Veräuflserung einer Sache und als Arbeit eine gewisse 
Änderung, Anpassung oder Auffrischung der Sache ausbedungen sind; 
hier soll die Sache nur als bearbeitete veräußert werden, so dafs 
die Arbeit, als zur Vervollständigung der Sachleistung gehörend, dieser 
gegenüber der Selbständigkeit entbehrt: es findet darum keine Kumu- 
lation von Verträgen statt. Dasselbe gilt, wo zur Vervollständigung 
der Veräufserung der Sache eine Ausscheidung (Zählen, Messen, Wägen, 
Pflücken, Abschneiden, Fangen), ein Töten (z. B. des Fisches), ein 
Verpacken, ein Versenden an den Erfüllungsort gehört‘. Alle diese 
Arbeiten werden von der Sachleistung, die sie erst ermöglichen, oder 
vorbereiten, oder vervollständigen, absorbiert”. Wiederum mit Her- 
stellung von Sachen, nur nicht dem Gläubiger in Person zu 
übergebenden Sachen, haben wir es zu thun, wo Satz, Druck, Ver- 
öffentlichung und Verbreitung einer Annonce in einer Zeitung oder 
als Plakat vereinbart werden. Hier ist die Lieferung von Papier, 
Druckerschwärze, Kleister eine Reihe von Aufwendungen auf die zu- 
gesagte Arbeit, die durch diese Aufwendungen erst möglich gemacht 
wird. 
ı BGB. 8 448 sagt: „Die Kosten der Übergabe der verkauften Sache, 
insbesondere die Kosten des Messens und Wägens“, rechnet danach, wie 
im obigen Text geschehen, das Messen und Wägen zur Übergabe, 
? Im Gegensatz zu dem Fall, wo die Sache an einen anderen als den 
Erfüllungsort transportiert werden soll; die damit, ausdrücklich oder still- 
schweigend, versprochene Arbeit ist zur Veräufßserung nicht mehr erforderlich, 
ist neben derselben eine selbständige Leistung. Sie braucht daher nicht 
vollzogen zu sein, damit der Entgelt für die Sachleistung einwandfrei ge- 
fordert werden könne (BGB. 8 320). Vgl. auch Endemann, Lehrbuch des 
bürgerl. Rechts 1 8 160 Nr. 4.
	        
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