Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

VI. Dem Inhalt nicht konforme Rechtsfolgen. Vertragswidrigkeit. 245 
Aus dieser Ordnung ergiebt sich auch, dafs ein „vertragswidriges 
Verhalten“ einer Partei! nicht blofßs dann gegeben ist, wenn sie eine 
Pflicht verletzt, die sie durch irgend eine Bestimmung im Inhalt des 
Arbeitsvertrags auf sich genommen hat. Vertragswidrig ist auch das- 
jenige Verhalten, durch welches eine Pflicht verletzt wird, die das 
Gesetz, auch ohne dafs sie einer Bestimmung des gegebenen Arbeits- 
vertrags konform ist, generell an Arbeitsverträge von gewisser Art 
geknüpft hat. Es ist z. B. ein vertragswidriges Verhalten die Nicht- 
erfüllung der durch BGB. $ 618 Abs. 1. 2 oder $ 629 statuierten 
Handlungs-, oder der durch HGB. $ 60 Abs. 1 statuierten Unter- 
lassungspflicht?. Demgemälß ist auch unter „vertragsmäfsiger Leistung“ 
nicht bloß diejenige zu verstehen, welche im Vertrag verlautbart 
worden ist, sondern auch jede ohne solche Verlautbarung vom Gesetz 
einer Vertragspartei auferlegte ®. 
Hieran darf man sich nicht dadurch irre machen lassen, dafs 
Rechte und Pflichten, die sich als Rechtsfolgen an einen Arbeitsvertrag 
anknüpfen, ohne einer Bestimmung seines Inhalts adaptiert zu sein, 
prägnant als „gesetzliche“ bezeichnet werden können*; wird doch 
auch mit dem Worte „vertragsmäfig“ nicht selten der engere Sinn 
von „gemäfs einer im Vertrag enthaltenen Bestimmung“ verbunden ®. 
$ 3 Nr. 2) ist auch die Herausgabe der ihm auf Grund des Arbeitsvertrags 
eingehändigten Invalidenversicherungskarte oder anderer Papiere oder Werk- 
zeuge des Arbeitnehmers. Diese Verpflichtung wird mit der Endigung des 
Arbeitsverhältnisses fällig, ebenso wie andererseits die des Arbeitnehmers zur 
Herausgabe von Werkzeugen, Stoffen, Behältern u. dgl. Das Dasein der ersteren 
läfst sich nicht darum bezweifeln, weil nunmehr nach dem Ges. zur Änderung 
des GewGerG: (vr. 30. Juni 1901) im 8 3 des letzteren die Rückgabe von Zeug- 
nissen, Gerätschaften, Kleidungsstücken u. dgl., die anläfslich des Arbeits- 
verhältnisses übergeben wurden, zwar der Kompetenz der Gewerbegerichte 
zugewiesen, aber von den „Leistungen aus dem Arbeitsverhältnisse“ unter- 
schieden ist. Sind doch auch der Antritt und die Fortsetzung des Arbeits- 
verhältnisses von jenen Leistungen getrennt ($ 3 Nr. 1), obwohl sie sicherlich 
dazu gehören. Das Gesetz verfolgt den praktischen Zweck einer Klärung der 
Kompetenzgrenzen, die Genauigkeit der Klassifizierung ist dabei nebensächlich. 
' BGB. 8 628 Abs. 2. HGB. $ 70 Abs. 2, 8 75 Abs. 1. 
? Vgl. Lotmar in Brauns Archiv VIII S. 36 Anm, 2. S. 54/55. 
3 GewO. 8 1834 Nr. 2 („wenn der Arbeitgeber die vertragsmäfsigen 
Leistungen nicht gewährt“), vgl. 8 133« Nr. 3 („nach dem Dienstvertrag ihnen 
obliegenden Verpflichtungen“). 
4 SoinGewO.$112 Abs. 2: „Ein Arbeitgeber, welcher das Arbeitsbuch seiner 
gesetzlichen Verpflichtung zuwider nicht rechtzeitig ausgehändigt hat“: vgl. 
$ 107 und S. 227 oben. 
5 z. B. GewO. 8 123: „Vor Ablauf der vertragsmäfsigen Zeit und ohne 
Aufkündigung können Gesellen und Gehülfen entlassen werden ...“ Vgl. 
Abschnitt IV Kap. 3 Nr. IH.
	        
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