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I. Abschn. 6. Kap.: Eingehung.
Eingehung und Nichteingehung von Arbeitsverträgen sind aus-
nahmsweise rechtlich unfreiwillig.
l. Rechtlich unfreiwillige Eingehung eines Arbeitsvertrags ist
aur da gegeben, wo jemand verpflichtet ist, entweder den Antrag zu
einem Arbeitsvertrag zu stellen oder einen ihm gestellten Antrag zu
einem Arbeitsvertrag anzunehmen. Dagegen gehören nicht hierher die
Pflicht, den Willen der Ablehnung eines Antrags unverzüglich kund
zu geben (BGB. 8 663 mit $ 675) und die Pflicht, auf einen Antrag
anverzüglich zu antworten (HGB. $ 362 Abs. 1). Ferner gehört
nicht hierher, dafs jemand die Annahme eines von ihm gestellten An-
trags als Annahme gelten lassen muß. In dieser Rechtslage befindet
sich nämlich jeder Handlungsfähige, der eine Offerte gemacht hat;
es ist die Rechtsfolge der Offertstellung?. Die Acceptation ist nichts,
las angenommen werden mülfste oder abgelehnt werden könnte. Den
angeblichen „Kontrahierungszwang“ eines Beförderungs- ‚oder eines
Theaterunternehmers darauf gründen, dafs derselbe dem Püblikum
eine Offerte gemacht habe, heißt jenen Zwang negieren, nicht be-
gründen®, Der Nachweis, dafs in solchen Fällen eine Offerte gestellt
sei, beweist nicht die Unfreiwilligkeit der Kontrahierung; nur macht
jener Nachweis den Kontrahierungszwang überflüssig, weil die Accep-
sation den Offerenten zur Leistung verbindet“.
Die rechtliche Unfreiwilligkeit der Eingehung eines Arbeits-
vertrags gründet sich teils auf das Gesetz®, teils auf obrigkeitliche Ver-
haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.“ Nach Biermann in
Jherings Jahrbüchern 32, 820 „handelt derjenige chikanös, der den Ab-
schlufs eines Kontraktes verweigert, lediglich in der Absicht, dadurch den
anderen zu benachteiligen“. Hiermit kann nicht die durch BGB. $ 226 de-
finierte Chikane gemeint sein.
ı Die moralische Pflicht, als Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag zu
schliefsen, womit sich G. v. Mayr in Zeitschrift für Sozialwissenschaft III,
786 fg. befafst, steht aufserhalb des Civilrechts,
? S. Brinz, Pandekten IV, 8 571 Anm. 2. ;
3 Opet, Deutsches Theaterrecht S. 259—62 betrachtet „als Rechtsgrund
des Kontrahierungszwanges eine freiwillig vom Unternehmer übernommene
Verpflichtung“, nämlich seine öffentliche Einladung als Offerte gelten zu lassen.
4 Dafs, wie Biermann a. a. 0. S. 310 sagt, mit Theater- und Konzert-
anternehmern, mit Badeanstalten u. .s. w. der Vertrag nicht erst dadurch ge-
schlossen werde, dafs das Billet ausgehändigt, sondern bereits dadurch, dafs
es verlangt wird, dürfte schwer zu beweisen sein.
5 Danach sind die öffentlichen Eisenbahnen verpflichtet zur Eingehung
von Verträgen auf Beförderung von Personen und Sachen, einschliefslich
lebender Tiere: HGB. $ 453. 8 473 Abs. 2. Eisenbahn VO. 88 6. 13 Abs. 1. 20.
49. 55. Internat. Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr v. 14. Okt.