Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

366 II Abschn. Zahlungszeit. 2. Kap.: Regelung der Zahlungszeit. 
Diese gesetzlichen Bestimmungen der Zahlungszeit beziehen sich 
teils nur auf Zeitlohnverträge, teils nur auf Akkorde, teils auf beide 
Formen des Arbeitsvertrags. Sie kommen alle darin überein, daß 
sie die Fälligkeit der Vergütung nach der Arbeitsleistung, der 
ganzen oder eines Teils, eintreten lassen. Der Arbeitnehmer mulfs 
die ihm obliegende Leistung gemacht haben, wenn er den Entgelt 
für dieselbe soll fordern können. Die Postnumeration der Vergütung 
der Pränumerationi der Arbeit ist eine für die Zahlungszeit beim 
Arbeitsvertrag geltende Regel. Diese Regel gilt nicht ausnahmslos. 
Vorab giebt es reichsrechtliche Ausnahmen. Es bestimmt näm- 
lich das Auswanderungsgesetz!: „Den Auswanderern darf nicht 
die Verpflichtung auferlegt werden, den Beförderungspreis oder einen 
Teil desselben . . . nach ihrer Ankunft am Bestimmungsorte zu 
zahlen.“ Der Beförderungspreis ist die Vergütung, die der Arbeit- 
geber, d.i. hier der Auswanderer, nach dem „Beförderungsvertrag“ 
($ 11 des Gesetzes) für seine Beförderung zu entrichten hat. Aus 
diesem Akkord wäre er nach jus commune* verpflichtet, die Vergütung 
erst nach Vollbringung der Arbeit, nämlich der Beförderung an den 
Bestimmungsort, zu entrichten. Wenn er nun nach der angezogenen 
gesetzlichen Vorschrift zu dieser Postnumeration nicht verpflichtet 
werden darf, so ist damit vorgeschrieben, dafs Pränumeration der 
Vergütung vereinbart werde; denn ohne diese Vereinbarung würde 
die gesetzliche Pflicht zur Postnumeration eintreten. — Nach der 
bundesrätlichen Eisenbahnverkehrsordnung ist bei den Verträgen zur 
Beförderung von Personen und Reisegepäck das Fahrgeld und die 
Gepäckfracht im voraus zu entrichten; ebenso kann für die Be- 
förderung gewisser anderer Sachen die Vorausbezahlung des Fracht- 
geldes gefordert werden®, — Ferner kommen lokalpolizeiliche Ver- 
rdnungen vor, die für gewisse Arbeitsverträge, namentlich über 
Transport. durch öffentliche Fuhrwerke, unter Umständen (z. B. wenn 
die Fahrt zum Bahnhof geht) Pränumeration vorschreiben. Dieselbe 
ist bei Theaterbesuchsverträgen und sonstigen Verträgen über künst- 
(erische und quasi-künstlerische Darbietungen, bei denen das Publikum 
Arbeitgeber ist, dermaßen herkömmlich*, daß die entsprechende 
Zahlungszeit ohne weiteres als Vertragsbestimmung® anzusehen ist. 
i Gesetz über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 8 22 Abs. 2, 
Bestrafung der Zuwiderhandlung in 88 48. 44, 
* Vgl. HGB. 58 666. 667. 670. 671. 674. 
* FisenbahnVO. 88 13. 32. 42 Nr. 4. 44 Nr. 6. 61, 
* Nicht auch bei Vorstellungen, die auf Jahrmärkten in nicht geschlossenem 
Zaum (durch Seiltänzer, Puppen, Affen) gegeben werden.
	        
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