Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

III. Der AV, als Subsistenzmittel der Besitzlosen, 11 
handen sein, sie kann als absolute bestehen, indem wörtlich die Exi- 
stenz des Arbeitnehmers und seiner Angehörigen durch die Begrün- 
dung des Arbeitsverhältnisses ökonomisch bedingt ist, oder er wird 
nur dadurch zu dessen Begründung getrieben, dafs er die Befriedi- 
gung von Lebensansprüchen sucht, die über dem Existenzminimum 
liegen. 
In diesem Zustand der Besitzlosigkeit, der zum Abschluß von 
Arbeitsverträgen drängt, befinden sich bekanntermalsen nicht etwa 
Einzelne, sondern Millionen. Für Millionen bedeutet daher der 
Arbeitsvertrag eine ökonomische Zufluchtsstätte, die zwar nicht vom 
Recht bereit gehalten, aber insofern garantiert wird, als innerhalb 
ihrer Grenzen der Kampf ums Dasein mit den geringsten Mitteln 
und in anerkannten Formen geführt werden kann. Diese Natur des 
Arbeitsvertrags ist eine Ursache seiner Häufigkeit und damit auch 
seiner Bedeutung. Denn es ist zwar bei zahlreichen Arbeitsverträgen 
der Arbeitnehmer ein Kapitalist und kann die Arbeitsverträge nicht 
ohne bedeutende kostspielige Arbeitsmittel, z. B. Beförderungsmittel, 
eingehen. Noch viel zahlreicher aber sind die Arbeitsverträge, bei 
denen der Arbeitnehmer von Arbeitsmitteln entblöfst und auf den 
Entgelt gewährenden Arbeitsvertrag angewiesen ist, den er auf Grund 
seiner blofsen Arbeitskraft einzugehen vermag. Da seine Existenz in 
solchen Fällen an den Empfang des Entgeltes geknüpft ist, so ist 
sein Interesse, den Entgelt nicht, auch nicht teilweise oder zeitweise 
vorenthalten zu sehen, seiner Lage nach das dringendste. Und da 
seine Arbeitskraft, als Teil seiner Lebenskraft und als Quelle 
seiner Arbeit, ihm Zweck und Mittel zugleich ist, so ist sein Inter- 
esse an Hintanhaltung ihres Brachliegens wie ihrer Vergeudung, ihres 
Mifsbrauchs wie ihrer Gefährdung ebenfalls das dringendste. Beide 
Interessen stehen für ihn bei der Vollziehung des Arbeitsvertrags auf 
dem Spiel, auf ihre Wahrung kann die rechtliche Ordnung des 
Arbeitsvertrags grofsen Einfluß haben. 
Die gewaltige Zahl derer, welche in der gedachten Weise auf 
den Arbeitsvertrag angewiesen sind, wirkt wie auf seine Frequenz, 
auch auf seinen Inhalt ein. Sie konkurrieren bei den Arbeits- 
verträgen, die der Besitzer der Arbeitsmittel zu schliefsen willens ist. 
So lange sie sich nicht verbünden, um ein Herabgehen unter eine 
gewisse Grenze bei den Vertragsbedingungen zu verhindern, befindet 
sich jeder in der Gefahr, von einem Konkurrenten unterboten zu 
werden. Für den Unterbieter bedeutet dies eine Verschlechterung 
des Vertrags behufs Ausschließung des Mitbewerbers. Dem Arbeit- 
geber aber kommt diese Konkurrenz der Arbeitnehmer zu gute. Der
	        
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