372 II. Abschn. Zahlungszeit, 3. Kap.: Kreditierung.
Von seiten des Begriffs steht nichts im Wege, dafs die zwei Zusagen
rechtlich der Zeit nach gleich behandelt und faktisch gleich-
zeitig vollzogen werden. Allein bei der Ausführung mufßs es zu
einer Verschiebung zwischen Leistung und Gegenleistung und zu einer
Rückständigkeit der einen gegenüber der anderen in vielen Fällen
dadurch kommen, dafs die eine,‘ nämlich die Vergütung als Geld-
zahlung, bei weitem weniger Zeit beansprucht als die Arbeit, also
dafs sie bei gleichzeitigem Anfang der beiderseitigen Leistungen längst
vollbracht ist, wann die Arbeit noch rückständig ist. In anderen,
S. 3681, ? schon erwähnten Fällen wird die Gleichzeitigkeit des Vollzugs
dadurch beeinträchtigt, dafs heim Beginn der Arbeit der Betrag der
Vergütung ungewifs oder diese noch nicht vorhanden ist.
Obzwar nun der Begriff des Arbeitsvertrags der zeitlichen Gleich-
behandlung der zwei Leistungen nicht hinderlich ist, so hat doch das
Recht, wie wir sahen (S. 366), die Zahlungszeit so geregelt, dafs die
Leistungen nicht Zug um Zug erfolgen, sondern die Arbeit Vor-
leistung, die Vergütung Nachleistung ist!. Die Gründe, welche
zur. Aufstellung dieser Regel geführt haben, können hier unerörtert
bleiben; um so mehr müssen wir uns mit ihrer Wirkung befassen
und zusehen, worin die Gleichgewichtsstörung rechtlich und thatsäch-
lich zum Vorschein kommt.
Zunächst ist, soweit diese Regel gilt, beim Arbeitsvertrag die
Einrede des nichterfüllten Vertrags ausgeschlossen.
Denn es bestimmt BGB. $ 320 Abs. 1: „Wer aus einem gegenseitigen
Vertrage verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur
Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dafs er vor-
zuleisten verpflichtet ist“. Eben die mit „es sei denn“ gesetzte Aus-
nahme ist die Regel für den Arbeitsvertrag. Da hier der Arbeit-
nehmer regelmäfsig mit seiner Arbeit vorzuleisten hat, so kann er
dieselbe nicht bis zur Bewirkung der Gegenleistung, d.h. bis zur
Entrichtung der Vergütung verweigern. Diese Vorleistungspflicht des
Arbeitnehmers wird natürlich nicht davon berührt, dafs er früher dem
nämlichen Arbeitgeber Arbeit geleistet und die Vergütung dafür
noch nicht erhalten hat. Wenn er die ihm jetzt obliegende Arbeit
nicht bis zur Entrichtung der für diese bestimmten Vergütung
verweigern darf, so kann er sie noch weniger verweigern wegen einer
für eine frühere Arbeit bestimmten Vergütung. Hieran ändert auch
* In BGB. $ 615 bedeutet der Ausdruck „Nachleistung“ etwas Spezielleres,
nämlich die Leistung der Dienste, nachdem die dafür bestimmte Zeit ver-
strichen ist.