I. Arbeitnehmer regelmäfsig vorleistungspflichtig. II. Einschränkung. 373
nichts der Umstand, dafs sowohl die Vergütungen als die Arbeiten
dem nämlichen Arbeitsverhältnis angehören. Hingegen macht es
solchenfalls einen Unterschied, ob die für die frühere Arbeit zu ent-
richtende Vergütung zu der Zeit, da die spätere Arbeit zu leisten ist,
fällig ist oder nicht. Ist sie nicht fällig — was, da doch die Arbeit
bereits geleistet worden ist, daher kommt, dal die Vergütung ge-
stundet wurde und die Stundungsfrist noch nicht abgelaufen ist —
so wird von diesem Ausstehen der Vergütung die nunmehrige Pflicht
des Arbeitnehmers zur‘ Arbeit gar ‚nicht berührt. Ist sie dagegen
fällig, so kann der Arbeitnehmer die ihm obliegende Arbeit ver-
weigern, bis ihm die fällige Vergütung für die frühere Arbeit ent-
richtet worden ist. Er hat demnach ein Zurückbehaltungsrecht nach
BGB. 8 273 Abs. 1,! sofern sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein
anderes ergiebt?. Auch kann die Ausübung des Zurückbehaltungs-
rechts vom Arbeitgeber durch Sicherheitsleistung abgewandt werden
($ 273 Abs. 3)%. Es ist einerlei, ob die nun zu leistende und die
früher geleistete Arbeit beide Zeitlohnarbeiten oder beide Akkord-
arbeiten. oder die eine Zeitlohnarbeit. die andere Akkordarbeit ist.
II. Von der in $ 320 Abs: 1 aufgestellten Regel, dafs beim gegen-
seitigen Vertrag die Verweigerung der Leistung bis zur Bewirkung
ler Gegenleistung zulässig ist, werden die Arbeitsverträge, insofern
hier der Arbeitnehmer vorzuleisten hat, ausgenommen. Da nun in
3 320 Abs. 2 jene Regel eingeschränkt wird*, so entsteht die
Frage, wie sich diese Einschränkung zu der in Abs. 1 vorbehaltenen
Ausnahme verhält. Man könnte ohne logischen Verstofs sagen: Wenn
der Arbeitsvertrag (soweit bei ihm eine Partei vorleisten mufs) von
der in Abs, 1 aufgestellten Regel nicht betroffen wird, so wird er
auch von der in Abs. 2 aufgestellten Schranke nicht berührt. Mit
1 Oertmann, Kommentar zum BGB. 8 278 Nr. 2 erklärt das Zurück-
behaltungsrecht für ausgeschlossen, „wenn Schuldner vorleisten mufs“, bezieht
dies jedoch, wie er bei 8 614 zeigt, nur auf die Zurückbehaltung der Vor-
leistung gegenüber der Nachleistung, während ihm die Zurückbehaltung im
Fall des Textes „zweifellos“ Platz. greift.
' z. B. Gewährung von Verpflegung oder Heilung.
3 Der Schauspieler, dem die am Monatsschlufs zu zahlende Monatsgage
nicht bezahlt wurde, braucht, wenn er sie nicht gestundet hat, nicht wieder.
aufzutreten, bis die Bezahlung erfolgt oder sichergestellt worden ist.
4 „Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegen-
leistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den
Umständen, insbesondere wegen verhältnismäfsiger Geringfügigkeit des rück-
ständigen Teiles, gegen Treu und Glauben verstofsen würde.“