382 II. Abschn. Zahlungszeit. 3. Kap.: Kreditierung.
voraus außer Kraft gesetzt werden könne!. Dem gegenüber mufs
aber gefragt werden, ob ein solcher Ausschlufßs nicht wider die guten
Sitten verstöfßst und darum ungültig ist. Es dürfte in der That nicht
der Moral anständiger Leute entsprechen, dafs der Arbeitgeber sich
für den künftigen Fall der Verschlechterung seiner Vermögens-
verhältnisse vom Arbeitnehmer den Verzicht auf ein diesem für
solchen Fall vom Gesetz gewährtes Schutzmittel ausbedinge®. Wir
sehen dabei ab von etwaiger mala fides des Arbeitgebers, d. h. davon,
dals er zur Zeit jener Ausbedingung selber ein Milstrauen in den
Fortbestand seiner gegenwärtigen Wirtschaftslage hegte, und lassen außer
Rechnung, dafs ein Arbeitnehmer nicht leicht ohne Notlage, Leicht-
sinn oder Unerfahrenheit sich auf jenen Verzicht einlassen wird.
Unser moralisches Urteil nötigt uns zu der Annahme, dafs $ 321 für
die Parteien eines Arbeitsvertrags zwingendes Recht setzt ®,
VI. Ein fernerer Schutz gegen die Kreditgefahr, die sich an die
Pränumeration der Arbeit knüpft, wird gewährt durch ein Vorzugs-
recht im Konkurs des Arbeitgebers, indem die Vergütungs-
forderungen mancher Arbeitnehmer eines Vorzugs vor anderen
Konkursforderungen geniefsen. Den ersten Rang haben nach KO.
S$61 Nr. 1 die „Forderungen an Lohn, Kostgeld oder anderen Dienst-
1 sei es durch besondere Erklärung, sei es dafs ihr Wille aus den Um-
ständen erhelle: Regelsberger in Jher. Jahrb. 40, 477 fg. und dort Genannte,
sowie Ehrlich, Zwingendes und nicht zwingendes Recht S. 50.
* Vgl. Lotmar, Unmoralischer Vertrag S. 71 Nr. 2,
* Hieran wird durch BGB. $ 610 nichts geändert. Wenn es dort heifst :
‚Wer die Hingabe eines Darlehens verspricht, kann im Zweifel das Ver-
sprechen widerrufen, wenn ...“: so ist damit gesagt, dafs der Promittent im
Zweifel das Widerrufsrecht habe. Der Zweifel kann nur Zweifel des Richters
sein, Zweifel darüber, ob der Promittent dieses Recht habe oder nicht habe.
[n diesem Zweifel soll der Richter dieses Recht anerkennen, zusprechen. Aber
e8 ist gar nicht gesagt, worauf sich der Zweifel gründet, aus welchen
dubiösen Thatsachen er herrührt. Man nimmt an: wenn ein deutlicher
Verzicht vorliege, sei das Recht abzusprechen, wenn ein undeutlicher Ver-
zicht vorliege, sei es zuzusprechen. Wir aber halten jeden im Voraus ver-
ainbarten Verzicht für ungültig und beziehen die Worte „im Zweifel“ auf
das Dasein der im Gesetz aufgestellten Bedingungen des Widerrufsrechts.
Damit ist gesagt: wenn der Richter darum im Zweifel ist über das Dasein
des Widerrufsrechts, weil er dessen faktische Voraussetzungen — eine wesent-
liche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder eine dadurch ver-
ursachte Gefährdung — nicht entschieden gegeben findet, dann soll er das
Widerrufsrecht anerkennen. Also bei dieser zweifelhaften Sachlage kann
der Promittent widerrufen. — Durch die vorstehende Deutung wird die An-
nahme ausgeschlossen, dafs der Gesetzgeber einen Verstofs gegen die guten
Sitten sanktioniert habe.