[. Die Nachleistung bietet dem A-geber Deckung. 1I. Mittelst Aufrechnung. 397
lich kann auch umgekehrt eine gewisse gröfsere Entfernung der
Zahlungszeit für einen Arbeitnehmer statt eines Spornes ein Hemmnis
sein, indem sie ihn bewegt, sich bälder faktisch einem Arbeitsverhältnis
zu entziehen, das ihm eine längere Entbehrung des Entgeltes auferlegt.
Gewährt sonach im allgemeinen die Postnumeration der Ver-
gzütung dem Arbeitgeber eine gewisse Deckung für seine Arbeits-
forderung — eine Deckung freilich, die von prekären wechselnden
Umständen, nämlich einer gewissen Bestimmbarkeit des Arbeitnehmers
abhängt!, — so verschafft sie ihm. ferner eine viel weiter greifende
und leichter anwendbare Deckung für andere Forderungen gegen
den Arbeitnehmer. Dafs der Arbeitgeber in der Lage ist, die Ver-
gütung erst leisten zu müssen, nachdem die ihm aus dem Arbeits-
vertrag geschuldete Leistung vollzogen worden ist, gewährt ihm —
abgesehen einstweilen von gesetzlicher Beschränkung — die Mög-
lichkeit, seine Leistung anstatt der bereits erledigten Arbeitsleistung
anderen ihm. noch geschuldeten Leistungen des Arbeitnehmers ent-
gegenzusetzen, d. h. dank der zu seinen Gunsten geregelten Zahlungs-
zeit in der noch ausstehenden Zahlung Deckung zu suchen für
irgendwelche Ansprüche, die er gegen den Arbeitnehmer hat oder zu
haben glaubt, oder etwa künftig erlangen wird.
Im Dienste solcher Deckung stehen die Aufrechnung und die
Zurückbehaltung und können stehen die Einbehaltung und die
Verwirkung. Diese Wirksamkeit der genannten Vorgänge beruht
darauf, dafs die Zahlungszeit hinter die Arbeitsleistung verlegt ist,
sei es vom Recht, sei es durch Abrede. Denn in der Zwischenzeit
d. h. vor jener Zahlungszeit können sich aus Anlafs des Arbeits-
verhältnisses, mit welchem oft erst eine Beziehung zwischen seinen
Teilnehmern entsteht, neue Ansprüche des Arbeitgebers gegen den
Arbeitnehmer entwickeln.
Von den vier genannten Vorgängen behandelt dieses Kapitel den
ersten, die Aufrechnung in der gedachten Anwendung durch den
Arbeitgeber.
{I. Diese Aufrechnung ist dazu bestimmt und geeignet, dem
Arbeitgeber für eine ihm gegen den Arbeitnehmer zustehende
lich vierzehntägigen Lohnperiode zur Rede gestellt, antwortet: „Es ist das
eine Vorsichtsmafsregel gewesen, die vor zwanzig Jahren eingeführt wurde,
um das Weglaufen ohne Kündigung zu verhindern.“ Kommission f. Arbeiter-
statistik, Verhandlungen Nr. 11 5. 20.
1 In früherer Zeit liels sich der Geselle durch Darlehen des Meisters
fesseln, nämlich zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bewegen, um das
Geborgte abzuverdienen! Stahl, Das deutsche Handwerk (1874) S. 344.