Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

406 II. Abschn. Zahlungszeit, 4. Kap.: Aufrechnung. 
ad b. Ohne den $ 394 BGB. würde die Aufrechnung gegen die 
Lohnforderung statthaft sein, sobald der Arbeitgeber die ihm ge- 
bührende Leistung fordern kann, auch wenn die Zahlungszeit für die 
Vergütung noch nicht gekommen ist: denn er kann die Vergütung 
schon vorher entrichten (BGB. 88 387. 271 Abs. 2)!. ‚Allein nach 
dem BeschlG. $ 1 ist die Beschlagnahme der Lohnforderung zulässig 
erst, nachdem die Leistung der Arbeit erfolgt und der Tag, an dem 
dafür die Vergütung zu entrichten war, abgelaufen ist. Da nun 
nach BGB. $ 394 die Aufrechnung gegen die Forderung umstatthaft 
ist, „soweit eine Forderung. der Pfändung nicht unterworfen ist“, 
so ist die Aufrechnung bis zum Ablauf des Zahlungstages unzu- 
lässig. Es genügt also für die Beschlagnahme wie für die Aufrechnung 
nicht, dafs der Lohn verdient sei, d. h. dafs die Arbeit geleistet 
sei, die durch den zu zahlenden Lohn vergütet werden soll, sondern 
es muß auch der davon oft durch einen beträchtlichen Zeitraum ge- 
trennte Zahltag verflossen sein. 
ad c. Nach dem Beschlagnahmegesetz ist die Beschlagnahme der 
Lohnforderung statthaft nur, wenn der Zahlungstag abgelaufen ist, 
„ohne dafs der Vergütungsberechtigte dieselbe (die Vergütung) ein- 
gefordert hat“. In demselben Mafs ist die Aufrechnung unstatthaft. 
Wenn daher der Zahlungstag abgelaufen ist, ohne dafs der Arbeitnehmer 
die Vergütung eingefordert hat, so kann gegen seine Vergütungs- 
forderung vom Arbeitgeber aufgerechnet werden®. Es ist einerlei, aus 
welchem Grunde der Arbeitnehmer nicht eingefordert hat, ob er nicht 
wollte oder ob er nicht konnte®*. Um daher der Statthaftigkeit der 
vertretenen Auffassung im Einklang sind. Pick, Lohnbeschlagnahme (1900) 
S. 36. 37, indem er die Exemtion auf diejenigen Bezüge beschränkt, welche 
„ökonomischer Erfolg der Arbeit“ sind, nimmt auf BGB. und HGB. keine 
Rücksicht. S. ferner v. Frankenberg und Sigel in Gewerbegericht IV, 
104, V, 168. 203. VI, 30. 81, welche im Ausschlufs von Pfändung und Auf- 
rechnung gegenüber der Vergütung des 8 616 BGB. einig sind, gegenüber 
derjenigen des $ 615 auseinandergehen, indem Sigel (mit Recht) sie gleich 
behandelt, d. h. der Pfändung und Aufrechnung entzieht. 
' Planck, Kommentar zu BGB, $ 387 unter 1 e. 
? Cuuo in Gewerbegericht V, 63 sagt „abgehoben“ statt „eingefordert“. 
Diese Ausdrücke sind nicht gleichbedeutend. Der Lohn kann eingefordert, 
ohne abgehoben worden zu sein. Dafs er nicht abgehoben wurde, kann am 
Arbeitgeber liegen. Dieser vermag aber nicht durch Nichtzahlung des Lohnes 
zu bewirken, dafs gegen die Lohnforderung aufgerechnet werden kann. Die 
Aufrechnung wird vielmehr schon durch die Einforderung ausgeschlossen. 
* Er sei denn durch den Arbeitgeber ‚abgehalten worden. — Zu weit 
geht: „Praktisch gestaltet sich demnach nach Inkrafttreten des BGB. die 
Rechtslage derart, dafs den gewerblichen Arbeitern Abzüge von ihrer Lohn-
	        
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