II. Aufrechnungsverbot des $ 394 BGB. 409
ein anderes Rechtsgeschäft“ getroffene „Verfügung“ über die unpfänd-
bare Lohnforderung!. Ist daher ein solcher Aufrechnungsvertrag ge-
schlossen und vollzogen worden, so kann der Arbeitnehmer seine Lohn-
forderung, soweit sie infolgedessen unbezahlt geblieben ist, einwandfrei
geltend machen, wie andererseits dem Arbeitgeber seine Gegen-
forderung ganz erhalten bleibt.
Wo der Arbeitnehmer ein Minderjähriger ist, der von seinem ge-
setzlichen Vertreter ermächtigt worden ist, in Dienst oder in Arbeit
zu treten, muß ein von solchem Arbeitnehmer geschlossener Auf-
rechnungsvertrag der gedachten Art auch darum ungültig sein, weil
der Minderjährige nur „für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt ge-
schäftsfähig ist, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst-
oder Arbeitsverhältnisses. der gestatteten Art oder die Erfüllung
der sich aus einem solchen Verhältnisse ergebenden Verpflichtungen
betreffen“ (BGB. $ 113), der Aufrechnungsvertrag dagegen nicht die
Erfüllung betrifft. Erfüllung ist eines der Mittel, ein Schuldverhältnis
zum „Erlöschen“ zu bringen; das Gesetz nennt hier nur dies eine
Mittel. Stundung ist ein „die Erfüllung betreffendes Rechtsgeschäft“,
Erlafs nicht, ebensowenig der Aufrechnungsvertrag ®. —
Der Ausschluß der Aufrechnung — innerhalb der S. 401—404
angegebenen gesetzlichen Grenzen — durch BGB. $ 394 ist insofern
grofser praktischer Bedeutung fähig, als aus zahlreichen gericht-
lichen Entscheidungen* und aus anderen Quellen® hervorgeht, eine
1 Übereinstimmend Soetbeer in Gewerbegericht II, 35, Boeckh ebd,
VI, 82 und Oertel in Sächs. Archiv f. bürgerl. Recht VIII, 609 (unten lies:
Aufrechnungsverträge). Nach Oertel S. 610 schliefst $ 2 Abs. 2 auch die
einseitige Aufrechnung des Arbeitgebers aus. Meyer, Recht der Be-
schlagnahme S. 39. Staub, Kommentar zu HGB. $ 59 Anm. 34 Nr. 4,
Burchardt, Rechtsverhältnisse der gewerbl. Arbeiter S. 35. Hingegen hat
der preufsische Eisenbahnminister in einem Erlafs den Rechtssatz des BGB,
8 394 Satz 1 ohne Angabe des Grundes für nicht zwingend erklärt: Gewerbe-
gericht VI, 30.
2? Ungültig ist z. B. im Engagement des deutschen Bühnenvereins, Allgem,
Bestimmungen $ 20: „Jedes Mitglied ist verpflichtet, sich die von der Bühnen-
leitung verhängten Ordnungsstrafen von seiner Gage abziehen zu lassen,“
3 Ungültig ist z. B. der Vertrag, in dem die sechzehnjährige . Arbeiterin
einer Hausgewerbetreibenden, weil sie den für diese von deren Arbeitgeber
gezahlten Lohn beim Holen des Geldes verloren hat, sich anheischig macht,
zum Ersatz des angerichteten Schadens eine Reihe von Lohnabzügen zu er-
dulden (Vorwärts v. 18. Apr. 1895), — Vgl. S. 166. 167. 253/54. Ä
4 &. statt vieler anderer Unger, Entscheidungen Nr. 31, I und IL,
Gewerbegericht IV, 93. 110. V, 9. 10. 56—58. 124—26. 154. 155. 195. 196.
5 Aufser der im Vorausgehenden citierten Literatur s, z. B. Bericht der
bayr. Fabrikinspektion f. 1897 S. 8377/78: „Denjenigen Arbeitern, welche von