IV. Fortgeltung von GewO. $ 115 gegenüber BGB. $ 394. 417
rechnung gegen die Lohnforderung schlechthin, d. h. ohne Unter-
schied des Grundes der Gegenforderung aus. Nach der hier be-
kämpften Ansicht kann nur nicht mit Gegenforderungen aus
gewissem Grunde, nämlich aus Warenkreditierung entstan-
denen, aufgerechnet werden‘. Beide Ansichten kommen wieder darin
überein, dafs die Aufrechnung für ausnahmsweise zulässig erklärt
wird bei den in GewO. $ 115 Abs. 2 Sätze 2 und 3 angeführten
Fällen. —
Es fragt sich nun, welchen Einfluß das unter Nr. III erörterte
Aufrechnungsverbot des BGB. $ 394 auf das der GewO., mag man
dieses in unserem oder im engeren Sinn auffassen, geübt hat%
Art. 32 des Einführungsgesetzes zum BGB. bestimmt: „Die Vor-
schriften der Reichsgesetze bleiben in Kraft. Sie treten jedoch in-
soweit außer Kralft, als sich aus dem BGB. oder aus diesem Gesetze
die Aufhebung ergiebt.“ Das Einführungsgesetz selbst läßt, wo es
die Änderungen der GewO. angiebt (Art. 36), unseren $ 115 un-
erwähnt. Hingegen BGB. $ 394 hat
1. auf das Aufrechnungsverbot der GewO. in dem hier ver-
tretenen Sinn keinen Einflufs. Dieses Specialrecht erfährt durch
das Generalrecht des .BGB. $ 394 keine Einschränkung. Für die
Personen und Arbeitsverträge, die von GewO. $ 115 betroffen werden
(S. 412. 413), gilt das Aufrechnungsverbot der GewO. frei von den
S. 413/4 dargelegten Schranken, welche BGB. $S 394 mit sich bringt,
und darin liegt sein praktischer Wert für die gewerblichen Arbeiter,
der praktische Wert seiner Fortgeltung.
2. Nimmt man das Aufrechnungsverbot der GewO. im hier
bekämpften engeren Sinn, so hat das Aufkommen von BGB.
8 394 die Bedeutung, dafs gegen Lohnforderungen der gewerblichen
Arbeiter von den Gewerbetreibenden, ihren Arbeitgebern, nunmehr
(nämlich nach $ 394) auch nicht mit anderen als Warenkredit-
forderungen kompensiert werden kann. Während aber der Ausschluls
der Aufrechnung mit diesen Kreditforderungen in dem S, 413/4, a—d
beschriebenen Umfang weiter gilt, weil er sich auf die GewO. gründet,
1 Jedoch versagt Neukamp, Die Gewerbeordnung (1901) zu 8 1158
Anm. 2 sub d a. E., die Kompensation ohne Unterschied des Grundes der
Gegenforderung, wenn diese vom Arbeitgeber durch Abtretung erworben
worden ist.
2? Neukamp in Verwaltungsarchiv V, 253, der dem Aufrechnungsverbot
der GewO. 8 115 den engeren Sinn beimilfst, erklärt es für „gänzlich beseitigt“
durch BGB. 8 394. Dagegen Cuno in Gewerbegericht V, 83—85. Anderer-
seits Stadthagen, Arbeiterrecht S. 142. 143.
Lotmar, Arbeitsvertrag. I.