1. Begriffliches Verhältnis zur Aufrechnung. 425
entzogen (S. 408—09). Die Zurückbehaltung der Vergütung ist dis-
positiven Rechts!, Die Parteien können durch Übereinkunft das Re-
tentionsrecht ausschliefßsen; sie können seine Voraussetzungen ver-
mindern und dadurch sein Aufkommen erleichtern, seine Ausübung
unterstützen ?*, oder sie können seine Voraussetzungen vermehren und
ladurch sein Aufkommen erschweren. Dagegen sind sie nicht im
stande, das Retentionsrecht so zu gestalten, dafs dadurch das Kom-
pensationsverbot umgangen wird, welches eine lex perfecta ist. Und
ein Resultat, das die Parteien nicht schaffen können, weil es dem
Gesetz widerstreitet, kann auch der Richter nicht herbeiführen.
Wenn nun ein und dasselbe Gesetzbuch dem Arbeitgeber die
Aufrechnung gegen die Lohnforderung, soweit sie unpfändbar ist,
versagt und dem Arbeitgeber die Zurückbehaltung des Lohnes nicht
versagt, so kann man schon im vorhinein annehmen, dafs hier Kom-
pensation und Retention nach Voraussetzungen und Wirkungen ver-
schieden sind, indem anderenfalls ein arger Widerspruch im Gesetz-
buch enthalten und damit ein grobes Versehen des Gesetzgebers be-
gangen wäre.
II. In der That differieren die Anwendungsgebiete von Auf-
rechnung und Zurückbehaltung schon dadurch, dafs die Kompensation
ohne Unterschied des Grundes der Gegenforderung Platz greift,
während retinieren kann nur, wer „aus demselben rechtlichen
Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen
Anspruch gegen den Gläubiger hat“. Durch dieses Erfordernis der
Konnexität wird das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers beträchtlich
eingeengt. Er kann nicht retinieren wegen der Ansprüche aus einem
Darlehen, aus einem Kauf, einer Miete, mag immer Darlehen, Kauf,
Miete im faktischen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis be-
aründet worden sein, indem der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer als
solchem, d. i. weil dieser sein Arbeitnehmer war, ein Darlehen ge-
veben, Sachen verkauft, eine Wohnung vermietet hat®. Wohl aber
ı Ehrlich, Zwingendes und nicht-zwingendes Recht S. 87 Anm. 53. S. 91
Anm. 75. Ehrlich zählt hier freilich auch die Aufrechnungsregeln zum
nicht-zwingenden Recht. Aber die Natur der in BGB, $ 394 Satz 1 gegebenen
hängt von CPO. 8 850 und von BeschlG. $ 2 Abs. 2 ab.
? z. B. gegen 8 273 Abs. 3 paktieren, dafs durch Sicherheitsleistung die
Ausübung nicht abgewandt werde.
3 Mit Bezug auf ländliche Kontraktarbeiter im preulsischen Regierungs-
bezirk Erfurt heifst es in Landarbeiter in den evangel. Gebieten Norddeutsch-
lands (ed. Weber) I, 70: „Für die Gutswohnung werden häufig 30—45 Mk.
herechnet, die entweder ratenweise abgezahlt oder im Sommer zur Zeit der