Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

III. Bedeutung bei gleichartiger Forderung des Arbeitgebers. 429 
behaltung“ sein. Allein dafs Geldleistungen Zug um Zug keinen 
Sinn haben, trifft nur unter der Voraussetzung zu, dafs der Arbeit- 
geber kompensieren kann. Wenn er durch Aufrechnung des Geldes, 
das er zu fordern hat, gegen das Geld, das von ihm gefordert werden 
kann, sich Befriedigung für seine Forderung zu verschaffen im stande 
ist, dann ist es sinnlos, auf der Zahlung an ihn als Bedingung 
seiner eigenen Zahlung zu bestehen. Aber gerade jene Voraussetzung 
wird hier nicht gemacht; es wird im Gegenteil vorausgesetzt, dals er 
nicht aufrechnen, daher nur durch Zahlung seitens des Arbeitnehmers 
befriedigt werden könne. Unter diesen Umständen — und nament- 
lich, wenn der Arbeitnehmer nicht leicht geneigt oder in der Lage 
ist, zu zahlen — hat es nicht blofs Sinn, sondern einen den Arbeit- 
geber begünstigenden, den Arbeitnehmer benachteiligenden Sinn, wenn 
der Arbeitgeber die Lohnzahlung verweigern kann, bis die ihm ge- 
bührende Zahlung gemacht wird; und ebendiesen Sinn hat es, daß 
der Arbeitgeber, wenn ihn der Arbeitnehmer auf die Lohnzahlung 
verklagt, zwar verurteilt wird, aber nur zur Leistung gegen Empfang 
der ihm gebührenden Leistung, d. h. zur Erfüllung Zug um Zug. 
Warum sich hier das Zurückbehaltungsrecht — soll heifsen die Zurück- 
behaltung — zur Aufrechnung gestalten müsse, ist nicht einzusehen. 
Es ist vielmehr zu behaupten, dafs es sich dazu nie und nimmer- 
mehr gestalten könne, weil Aufrechnung und Zurückbehaltung 
weit und gründlich voneinander verschieden sind, weil die Auf- 
rechnung gegen die Lohnforderung, soweit sie verboten ist, aus- 
nahmslos verboten ist, daher niemals ein Surrogat der nicht ver- 
botenen Zurückbehaltung sein kann und nicht auf einem Umweg, 
d. h. unter Umgehung des Gesetzes, eingeführt werden kann!. Wo 
das Gesetz (nämlich BGB. $ 394 und unserer Meinung nach auch 
GewO. 8 115) die Aufrechnung ausschliefst, schließt es sie aus ohne 
Unterschied des Grundes der Gegenforderung; es macht keinen Vor- 
behalt für konnexe Gegenforderungen. „Der Dienstherr,“ sagt Dern- 
burg, „kam . .. den schuldigen Lohn “zurückbehalten’, wenn er 
auf Grund des Dienstvertrags Schadenersatzansprüche hat, und es 
muß zur Aufrechnung auf den Lohn kommen.“ Nicht im Sinn 
rechtlicher, nur im Sinn faktischer Notwendigkeit ist letzteres anzu- 
erkennen, d.h. der Arbeitnehmer wird sich unter dem Zwang der 
Umstände bereit finden lassen, statt seine Ersatzschuld zu zahlen, um 
zu dem ihm geschuldeten Lohn zu gelangen, lieber in den ihm propo- 
nierten Aufrechnungsvertrag zu willigen, um den Lohn mit Abzug des 
ı S_ auch das Amtsgericht Köln in Gewerbegericht VI. 124.
	        
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