IV. Ausschlufs soweit Kompensation ausgeschlossen. 431
Der hiernach abgeleitete Rechtssatz, der die Retention beschränkt,
ist so zwingend wie der die Kompensation hemmende, von dem er
abgeleitet ist.
Hingegen kann man nicht auf dem Wege der Analogie ge-
langen zu einer Hintanhaltung der Retention wegen einer ungleich-
artigen Leistung. Eine solche Retention ist vielmehr unabhängig
vom Kompensationsverbot zulässig, „sofern nicht aus dem Schuld-
verhältnis sich ein anderes ergiebt“. Ein „anderes Ergebnis“ liefert
nun aber gerade das Schuldverhältnis, welches Arbeitsverhältnis ist,
wenn die ungleichartige Leistung, wegen deren retiniert werden soll,
Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist!. Dafs nicht um der
schon bewirkten Arbeitsleistung willen retiniert werden kann, ist
selbstverständlich; auf diese hat ja auch der Arbeitgeber nicht „einen
fälligen Anspruch gegen den Gläubiger“ (BGB. $ 273), d. i. den Ar-
beitnehmer. Aber auch wenn zur Zahlungszeit der Arbeitgeber, weil
das Arbeitsverhältnis noch besteht, einen fälligen Anspruch auf Arbeit
hat, kann nicht davon die Rede sein, dafs er um dessentwillen die
Vergütung (der bereits geleisteten Arbeit) zurückbehalten könne.
Denn ‚es liegt auf der Hand, dafs anderenfalls, solange das Arbeits-
verhältnis währt, die Zahlungszeit und insofern die Zablung ganz im
Belieben des Arbeitgebers stehen würde. Dieser hat nämlich
während des Arbeitsverhältnisses, im Lauf desselben, auch wenn
er zur Entgeltung vergangener, ihm geleisteter Arbeit verpflichtet ist,
sehr häufig einen fälligen Anspruch auf weitere Arbeit. Es würde
aber wider den Sinn des Arbeitsverhältnisses verstofsen, wenn er um
künftiger Arbeit willen die Bezahlung für vergangene beliebig ver-
Zweck, zu dem die Anwendung des Mittels führt, reprobiert. Aus diesem Grunde
hat auch das gemeine Recht ganz konsequent die Retentionsbefugnis gegen
Forderungen, gegen die es die Aufrechnung ausschlofs, nicht zugelassen.“ Da-
durch bewies es zugleich, dafs ihm die Retention wegen gleichartiger Forderungen
nicht als sinnlos, sondern als leistungsfähig erschien. Ferner Fröhlicha, a, 0.
Sp. 168, Wagler, Sigel, Landmann und Soetbeer a. a. 0. VI, 36. 39.
41. 42. 43. — Anderer Meinung Cuno in Gewerbegericht V, 64, Burchardt
in Deutsche Juristenzeitung 1900 S. 264 (der dort angeführte Grund ist nicht
stichhaltig), Staub, Kommentar zu HGB. $ 59 Anm. 34 Nr. 5, ein land-
gerichtliches Urteil in Gewerbegericht VI, 104 und ein gewerbegerichtliches
daselbst Sp. 117.
ı Wenn es eine andere, wenn es eine von den S. 426 oben erwähnten
Leistungen ist, so ergiebt sich aus dem Arbeitsverhältnis nichts gegen das
Retentionsrecht. Ebenso auch nicht, wenn ein Schadensersatzanspruch des
Arbeitgebers auf Herstellung des früheren Zustandes geht (BGB. $8 249—251).
Vgl. Gewerbegericht VI, 37 und Burchardt, Rechtsverhältnisse der gewerbl.
Arbeiter S. 38.