Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

I. Sprachgebrauch. II. Gesetzlich gewährte Einbehaltung. 433 
behaltung verschiedenen Begriff reservieren. Die folgende Er- 
örterung desselben rechtfertigt zugleich die befürwortete Terminologie. 
Von der Einbehaltung ist hier nur: als einem Rechtsbegriff und 
als etwas Rechtmäfsigem die Rede, wovon sich die nur faktischen und 
unrechtmäfsigen Einbehaltungen unterscheiden. Wo die Einbehaltung 
nicht die ganze zahlbare Vergütung trifft — und dies ist meistens der 
Fall —, kommt sie als Abzug zur Erscheinung. Es hat sich in den 
zwei vorausgehenden Kapiteln gezeigt, dafs auch die Aufrechnung und 
Zurückbehaltung sich thatsächlich als Abzüge geltend machen können, 
dort nämlich, wo durch die Aufrechnung nicht die ganze Lohn- 
forderung erlischt, oder wo nicht der ganze Lohn zurückbehalten wird. 
Man erkennt hieraus, dafs der nur auf die äufsere Erscheinung ge- 
richtete Ausdruck „Abzug“ mehrdeutig ist und daher den juristischen 
Ansprüchen auf Präcision nicht genügen kann. 
Während die Aufrechnung und die Zurückbehaltung von Rechts- 
wegen zustehen, Aufrechnungsrecht und Zurückbehaltungsrecht gesetz- 
liche Befugnisse sind, ist das Einbehaltungsrecht, von drei Anwen- 
dungen abgesehen, eine auf Vertrag beruhende Befugnis: Einbehaltung, 
die nicht vertraglich eingeräumt wurde, ist unrechtmäfsig. Wir er- 
ledigen vorab die drei Anwendungen des Einbehaltungsrechts, in 
denen es auf gesetzlicher Verfügung beruht. 
II. Die gesetzlich gewährte Einbehaltung findet sich im 
Krankenversicherungsgesetz (vom 10. April 1892) und im Invaliden- 
versicherungsgesetz (vom 13. Juli 1899). Nach .$ 53 des erstgenannten 
(s. auch $8 65 Abs. 3. 72 Abs. 3. 73 Abs. l) „sind die Versicherten 
verpflichtet, die Eintrittsgelder und Beiträge, letztere nach Abzug des 
auf den Arbeitgeber fallenden Drittels ($ 51), bei den Lohnzahlungen 
sich einbehalten zu lassen“. Dieser Pflicht, sich einbehalten 
zu lassen, entspricht das Einbehaltungsrecht der Arbeitgeber. Nach 
dem Invalidenversicherungsgesetz $ 131 ist, wenn der Versicherte mit 
einer Quittungskarte nicht versehen ist oder deren Vorlegung ablehnt, 
„der Arbeitgeber berechtigt, für Rechnung des Versicherten eine solche 
anzuschaffen und den verauslagten Betrag bei der nächsten Lohn- 
zahlung einzubehalten“. Nach $ 142 des nämlichen Gesetzes 
sind die Versicherten verpflichtet, bei den Lohnzahlungen die Hälfte 
der Beiträge und in einigen besonderen Fällen den auf sie entfallen- 
den höheren Betrag „sich einbehalten zu lassen“. Auch hier 
entspricht dieser Pflicht der Versicherten ein Einbehaltungsrecht der 
Arbeitgeber. 
Statt von Einbehaltung sprechen die gedachten Gesetze mit 
LöLmar. Arbeiksverbral: T er
	        
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