IV. Einbehaltungsvertrag. 437
I, dadurch, dafs sie sich nur auf einen Vertrag zwischen Arbeit-
geber und Arbeitnehmer gründen kann, dafs sie nicht gesetzlich ge-
währt, aber auch — mit einer Ausnahme — nicht gesetzlich verboten
ist, weder direkt noch analogisch;
2. dadurch, dafs sie nicht wegen einer schon zur Zeit der Ein-
behaltung fälligen Geldforderung statthaft ist und
3. dadurch, dafs sie zu mehreren verschiedenen Zwecken
vorgenommen werden kann, während mit der Aufrechnung und Zurück-
behaltung immer nur ein Zweck verfolgt wird.
Diese drei Unterschiede sollen im folgenden näher betrachtet
werden.
IV. Der dem Arbeitgeber die Einbehaltung gestattende
Vertrag kann bei der Eingehung des Arbeitsvertrags geschlossen
werden und somit einen Bestandteil desselben bilden, oder später,
namentlich anläßlich der Lohnzahlung, wo dann dieser Vertrag einen
Nachtrag zum Arbeitsvertrag ausmacht. Einen Bestandteil des Ar-
beitsvertrags bildet die Concession der Einbehaltung immer dann,
wenn diese in der Arbeitsordnung oder im Tarifvertrag vorgesehen
ist. Die Einbehaltung kann für jede Zahlung oder für mehrere oder
nur für eine eingeräumt werden. Ferner kann im Vertrag der ein-
behaltbare Betrag, und endlich auch der Zweck oder die Zwecke be-
stimmt werden, derentwegen allein soll einbehalten werden können;
die Dauer der Einbehaltung kann festgesetzt werden oder in der
Setzung des Zweckes mitbestimmt sein. Das Zugeständnis der Ein-
behaltung ist stets ein Verzicht auf die Einhaltung derjenigen Zahlungs-
zeit, die für die übrige Vergütung gilt*. Es wird dem Arbeitgeber
gestattet, den einbehaltenen Betrag nicht zu der Zeit zu entrichten, da
er ohne die Einräumung zu entrichten wäre, sondern zu einer anderen,
späteren. Insofern ist diese Einräumung stets eine. Kreditierung des
Arbeitnehmers (vgl. S. 375)®, und gewöhnlich eine, die ihm nicht
entgolten wird®. Sie ist aber möglicherweise noch mehr, namentlich
1 Durch diesen Verzicht wird der Pfändbarkeit der Liohnforderung in
Ansehung des einbehaltenen Betrags vorgebeugt, indem -dadurch „der Tag,
an welchem die Vergütung gesetzlich, vertrags- oder gewohnheitsmäfsig zu
entrichten war“ (BeschlG. $ 1), für die einbehaltene Vergütung hinausgeschoben
wird, was deren Fälligkeit vertagt: S. 407 al. 1 a. E.
2 Auf diese Steigerung der Kreditgefahr wird gegenüber dem Verlangen
der Unternehmer „bei Akkordarbeiten 25 Pf. pro 1000 Steine vom Lohn ein-
zubehalten bis zur Fertigstellung der Arbeit“ in einer Berliner Versammlung
von Bauarbeitern hingewiesen. Vorwärts vom 5. Aug. 1899,
® Ausnalıme in Jahresberichte der preufs. Regierungs- und Gewerberäte