Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Rechtsquellen. - Generalrechtliche Regelung. 19 
sinde, ohne Rücksicht darauf, ob die Arbeit dem Arbeitgeber für seine 
Produktion oder für seine Haushaltung geleistet wird. Aber inner- 
halb der. Landarbeiterschaft das Gesinde auszusondern ist mangels 
eines allgemein anerkannten, durchgreifenden Kriteriums nicht aus- 
führbar, Kenner der Verhältnisse erklären es für schwierig, ja für 
unmöglich, die Kategorien der Landarbeiter, welche die Theorie unter- 
scheidet, in der Praxis auseinanderzuhalten*. Zwar die Wandevarbeiter 
wird man schwerlich jemals zum Gesinde zählen, dagegen die kon- 
traktlich gebundenen Arbeiter, die Hoftagelöhner, Lohngärtner, Inst- 
leute und wie sie sonst heifsen, und die Deputanten lassen sich, da 
die Lage des so genannten Gesindes, der Knechte, Mägde, Schäfer 
Kutscher, Vögte, Kämmerer, Hofmeister u. s. w., höchst mannigfaltig 
und stellenweise mit eigener Beköstigung oder Wohnung verbunden 
ist?, oft nicht vom Gesinde unterscheiden; und in manchen preufsi- 
schen Provinzen weils man die Anwendung der Gesindeordnung auf 
die Instleute dadurch zu ermöglichen, dafs man sie nach Art der 
Knechte dingt®*. Wenn sich nach diesen Hinweisen die privatrecht- 
liche Lage der Landarbeiter vom hybriden Begriff des Gesindes ab- 
hängig zeigt, so darf wohl gesagt werden, dafs durch Art. 95 des 
Einführungsgesetzes zum BGB. die Landarbeiter dem landesgesetz- 
lichen Gesinderecht ausgeliefert worden sind. . 
Die generalrechtliche Regelung des Arbeitsvertrags. die das BGB. 
1z. B. Fiedler, Arbeiterfrage auf dem Lande (1895) S. 18: „dafs eine 
genaue Scheidung zwischen den einzelnen Klassen der ländlichen Arbeiter 
nicht möglich ist, dafs in der Praxis unzählige Übergänge und Abstufungen 
bestehen“. — Es wird kein positives Merkmal des Gesindes angegeben, das 
nicht auch bei einer anderen Klasse von Landarbeitern anzutreffen wäre, und 
umgekehrt lassen zu dem Gesinde gerechnete Arbeiter eines oder das andere 
Gesindemerkmal vermissen. Am weitesten reicht das negative Merkmal, dafs 
Tagelohn (in Geld) beim Gesinde ausgeschlossen ist. Vgl. v.d. Goltz, Land- 
wirtschaftliche Arbeiter, in Handwörterbuch der Staatswissenschaften. - Hier 
werden zuoberst Gesinde und Tagelöhner unterschieden; zu den letzteren 
gehören aber nicht blofs im Tagelohn stehende Arbeiter, 
? Vgl. z. B. Kähler a. a, 0. S. 2. 134. Asmussen in Arbeiterfreund, 
37. Jahrgang S. 19, Weber in Landarb. in Deutschland III, 508. 546. Franken- 
stein, Arbeiterfrage in der deutschen Landwirtschaft (1893) S. 20. Fiedler 
a. a. O0. S. 20 („wenn das Gesinde aufserhalb des Hofes in einer Arbeiterfamilie be- 
köstigt wird und bis auf die wöchentlich neu aufziehende Stallwache vielleicht 
nicht einmal auf dem Hofe selbst wohnt“). 
3 Weber in Landarbeiter in Deutschland III, 18 Anm. 1. — Die Hof- 
gänger werden von der Gesindeordnung für Mecklenburg $ 61 zum Gesinde 
gerechnet, da sie doch vom Tagelöhner nur für die Arbeit gehalten werden, 
die dieser dem Gutsbesitzer zu leisten verpflichtet ist, ohne selbst zu dessen 
Gesinde zu gehören.
	        
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