458 1I. Abschn. Zahlungszeit. 7, Kap.: Verwirkung.
Geldstrafforderungen ist ‚völlig unabhängig vom Stand des Lohn-
guthabens des Arbeitnehmers. Auch wenn er noch keinen Lohnanspruch
oder einen solchen nicht mehr hat, weil etwa seine Lohnforderung gerade
vor dem Eintritt der Strafbedingung befriedigt worden ist, kann er
durch sein Verhalten wider sich eine Strafforderung begründen.
Hingegen hängt die Verwirkung davon ab, dafß der Arbeitnehmer
seine Arbeitsleistung mache und damit das Seinige zur Hervorbringung
der Lohnforderung thue, die durch die Verwirkung gänzlich oder
teilweise vernichtet werden soll; auch ist die Verwirkung aus-
geschlossen, sobald der Lohn bezahlt worden ist. Die Verwirkung
kann sieh daher durchsetzen nur gegenüber ausstehendem oder
rückständigem Lohn*: wenn der Arbeitnehmer keine Arbeit leistet,
so erlangt er ohnehin regelmäfsig keine Lohnforderung, es kann
daher keine verwirkt werden, und wenn er seinen Lohn empfangen
hat, so ist die Lohnforderung getilgt und damit der Verwirkung
entrückt. Ausstehender oder rückständiger Lohn ist ver-
dienter und nicht bezahlter Lohn, dagegen braucht er nicht
fällig zu sein; z. B. ist vor dem Zahltag der verdiente Lohn zwar
nicht fällig, aber ausstehend oder rückständig, und vermöge der letzteren
Eigenschaft kann er verwirkt werden?*. Ebenso ist der Lohn, auch wenn
er infolge von Stundung aufgehört hat fällig zu sein, ausstehender oder
rückständiger Lohn und der Verwirkung zugänglich. Und das näm-
liche gilt von dem einbehaltenen Lohne; dessen Fälligkeit ist durch
den Einbehaltungsvertrag verschoben worden?.
ı Vgl. S. 454? „die bis dahin verdiente Heuer“.
? z. B. Arbeitsordnung der Rheinischen Gummi- und Celluloidfabrik in
Neckarau $ 28: „In dem Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne
Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist . . . verwirkt der Arbeiter den
rückständigen Lohn bis zum Betrage seines durchschnittlichen Wochenlohnes
zu Gunsten der Krankenkasse des Betriebes.“
3 Ohne Anhalt im Gesetz giebt Willner in Gewerbegericht VT, 19 dem
„rückständigen Lohn“ der GewO. 8 134 Abs. 2 einen engeren Sinn als den
obigen, womit er das Anwendungsgebiet dieser Vorschrift in unwahrschein-
licher Weise beschränkt. Als rückständig lälst er nur gelten 1. den fälligen
Lohn, welcher zur Zahlungszeit nicht entrichtet worden, sondern einfach
stehen geblieben ist, und 2. den einbehaltenen Lohn (den er im Gegensatz zu
der im vorigen Kapitel vertretenen Ansicht als fällig betrachtet). Infolge
von Willners Deutung kann die Verwirkung nicht einbehaltenen Lohnes
in beliebigem Umfang, d. h. über den Betrag des durchschnittlichen Wochen-
lohnes hinaus ausbedungen werden, da W. die Schranke des Gesetzes nur
auf den rückständigen, d. i. nach ihm stehengebliebenen oder einbehaltenen
Lohn bezieht. Für Willner: Koehne, Arbeitsordnungen S. 195. Wie :im
obigen Text wird „rückständiger Lohn“ gedeutet von Nelken, Handwerker-
und Arbeiterschutzgesetze S. 778 Nr. 12.