Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Kautionale Einbehaltung behufs Verwirkung. . 459 
IV. Da der Lohn durch die Zahlung aufhört der Verwirkung 
ausgesetzt zu sein, so hat der Arbeitgeber, der sich Verwirkung aus- 
bedungen hat, bei einem nach der Zahlung fortbestehenden Arbeits- 
verhältnis ein Interesse am Vorhandensein. rückständigen 
Lohnes, damit die Verwirkung nicht gegenstandslos oder wenig em- 
pfindlich sei, wenn etwa ein verwirkendes Verhalten erfolgt, bevor 
neuerdings Lohn oder Lohn von größerem Umfang verdient worden 
ist. Diesen Dienst, für die Verwirkung Grund zu legen, kann die 
Lohneinbehaltung leisten. Damit kommen wir auf diejenige Art der 
Lohneinbehaltung zu sprechen, welche wegen ihres Zusammenhanges mit 
der Verwirkung am Schluß des vorigen Kapitels dem gegenwärtigen 
vorbehalten worden ist. Dafs die Einbehaltung mit Kautionszweck, 
die kautionale Einbehaltung nichts Einheitliches sei, ward schon bei 
ihrer Einführung (oben S. 443) bemerkt. Ihre früher behandelte 
eine Art, die Einbehaltung zur Sicherung einer Forderung des 
Arbeitgebers umfalst, wie wir sahen, auch die Einbehaltung zur 
Sicherung einer Strafforderung. Aber verschieden von der Ein- 
behaltung zur Sicherung einer verabredeten Strafe (GewO. 8 119°, 
vgl. S. 446 Nr. 2) ist die Einbehaltung zur Ermöglichung der 
Verwirkung oder der verabredeten Verwirkungsstrafe; etwas anderes 
ist die Einbehaltung zur Sicherung einer auch ohne die Einbehaltung 
möglichen Strafe (S. 457/58), etwas anderes die Einbehaltung, durch 
welche die Strafe (die Verwirkung) allererst möglich gemacht wird. 
Während jene Einbehaltung zur Sicherung, da die Sicherung in Auf- 
rechnung oder Zurückbehaltung mündet, soweit diese zwei unzulässig 
sind, des größten Teils der Wirksamkeit entbehrt (S. 451), bleibt die 
Verwirkung von den Kompensations- und Retentionsschranken un- 
berührt. Der einbehaltene Lohn kann verwirkt werden, wo er weder 
zurückbehalten noch der Aufrechnung ausgesetzt werden kann. Damit 
scheint der Einbehaltung behufs Verwirkung ein unbegrenzter Geltungs- 
bereich gesichert zu sein. Denn die Verwirkung einbehaltenen Lohnes 
setzt mehr nicht als Ausbedingung sowohl der Einbehaltung wie der 
Verwirkung voraus. Zwar ist selbst der nicht vertragsmäfsig ein- 
behaltene Lohn ein rückständiger und damit der Verwirkung fähig. 
Allein wenn nicht Treu und Glauben gröblich verletzt werden sollen, 
so kann sich die Ausbedingung der Verwirkung rückständigen Lohnes 
niemals auf solchen beziehen, der durch Schuld des Arbeitgebers 
rückständig ist. Dafs nämlich der Arbeitgeber aus seinem Verzug in 
der Entrichtung fälligen Lohnes den Vorteil zöge, sich auf die Ver- 
wirkung dieses durch seine Schuld zum rückständigen gewordenen 
Lohnes zu berufen. würde ein unannehmbares Ergebnis sein.
	        
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