Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

498 II. Abschn. Arbeitszeit. 3. Kap.: Unterzeit und Überzeit. 
von Arbeitnehmer und Arbeitgeber unabhängiges Hindernis der Arbeit 
entgegenstellt. Für den in Rede stehenden Begriff ist es ferner 
gleichgültig, ob die Arbeit, welche zu der ihr bestimmten Zeit unter- 
bleibt, überhaupt nicht! oder ob sie zu einer anderen Zeit 
geleistet wird”, — in beiden Fällen unterbleibt ihre rechtzeitige 
Leistung. 
Besondere Betrachtung erheischt die negative Nichteinhaltung 
derjenigen Arbeitszeit, welche mit Bezug auf,eine Arbeitsperiode be- 
stimmt ist (S. 490—91). Hier besteht die Nichteinhaltung darin, dafs 
die Arbeitsperiode nicht in der gehörigen Weise durch Arbeit aus- 
gefüllt wird, indem die Arbeit zu spät begonnen oder zu früh beendigt 
oder im Lauf der Arbeitsperiode intermittiert wird, ohne dafs Ruhe- 
zeit oder Pause gegeben ist®. In diesen Fällen hesteht die Nicht- 
einhaltung der Arbeitszeit darin, dafs die Arbeit nicht einen gewissen 
zeitlichen Umfang erhält, dafs „Minderarbeit“ oder „Unterarbeit“ 
stattfindet*. Die wirkliche Arbeitszeit erreicht nicht das der Regel 
entsprechende Mafs, nicht die Normalzeit. Es findet hier ein „Ausfall 
regelmäfsiger Arbeitszeit“ statt®; man kann die ausfallende Arbeitszeit 
als Unterzeit bezeichnen nach dem Vorbild der hiernächst zu be- 
sprechenden Überzeit, womit die aufserhalb der Normalzeit liegende, 
zur Normalzeit hinzukommende Arbeitszeit bezeichnet wird. Zur 
Annahme von Unterzeit gelangt man um so leichter, je genauer die 
regelmäfsige Arbeitszeit nach Länge, Lage und Verteilung festgesetzt 
ist. wie überhaupt die negative Nichteinhaltung der Arbeitszeit sich 
1 z. B. die angekündigte Theatervorstellung, für welche ein Billet gelöst 
war, findet nicht statt, oder der zur Aushülfe gedungene Kellner findet sich 
an der Arbeitsstätte nicht ein, oder „Ausfall einer Fahrt“ (auf der Eisenbahn): 
Kisenbahn VO. 8 26 Nr. 4. 
? z. B. der zu einer Fahrt gedungene Kutscher stellt sich nicht zur an- 
beraumten Zeit, wohl aber eine Stunde später ein, oder eine nach dem Gesetz 
„unverzüglich“ vorzunehmende Arbeit (S. 489) wird erst nach Verfluls einiger 
Zeit vorgenommen. 
% z. B. der Arbeitgeber hält die Fabrik an einem Tage geschlossen, der 
zur Arbeitszeit gehört, oder der Schreinergeselle, der die Arbeit auf dem Bau 
am Montag fortsetzen sollte, nimmt die Arbeit erst am Dienstag wieder auf, 
oder die Schülerin sagt dem Klavierlehrer eine Stunde (von den zwei Waochen- 
stunden) ab. 
4 „Minderarbeit“ im Gegensatz zu „Überarbeit“ in Bekanntmachung betr. 
die Beschäftigung von Arbeiterinnen in Konservenfabriken v. 11. März 1898 
{RGBL 8. 85) I, 4. . 
5 Bekanntmachung betr. Ausnahmen von den Bestimmungen über die 
Sonntagsruhe ... vom 3. April 1901 (RGBI. S. 117) Nr. 9. Bei der Berg- 
werksarbeit heilßsen die eine Schicht ausmachenden Ausfälle „Feierschichten“.
	        
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