Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

302 IM. Abschn. Arbeitszeit. 3. Kap.: Unterzeit und Überzeit. 
vergütet werden mufs, einerlei, ob sie Überstunde ist oder nicht, 
während im Tägelohnverhältnis die Vergütung einer Stunde (als Über- 
stunde) nur verlangt werden kann, wenn sie Überstunde ist: dieser 
Unterschied betrifft nicht das Dasein, sondern die Vergütung der 
Öberarbeit. Daß es auch beim Stundenlohnverhältnis auf das Dasein 
von Überzeit ankommen kann, daß also für die Frage nach diesem 
Dasein der Umfang des lohnmessenden Zeitabschnitts wirklich, wie 
gesagt, gleichgültig ist, sieht man sofort, wenn man voraussetzt, dafßs 
für die Überarbeit ein besonderer Lohnsatz besteht. Denn dann muls 
auch für den Stundenlohnvertrag die Frage beantwortet werden, ob- 
die Stunde eine Überstunde oder eine Normalstunde ist. Die Antwort 
ist hier wie sonst vom Umfang des lohnmessenden Zeitabschnitts un- 
abhängig, richtet sich nur nach der Regulierung der Arbeitszeit für 
eine Arbeitsperiode. 
Für das Dasein von Überzeit ist nur erforderlich eine Arbeitszeit, 
welche die Grenzen der regulären Arbeitszeit überschreitet und damit 
exceptionell ist. „Regelmäfsige Überstunden“ ist daher eigentlich etwas. 
Widerspruchsvolles: man nimmt zwar die Regel, von der abgewichen 
wird, als fortgeltend an, beobachtet aber so viele Fälle von Ab- 
weichungen, dafs man sie wieder zu einer reell geltenden Regel zu- 
sammenfassen kann, während jene erstere ideell oder auf dem Papiere 
fortbesteht!. Die Überschreitung der Grenzen der regulären Arbeits- 
können.“ Sollte mit diesen Aussprüchen nicht blofs die Pflicht zur Bezahlung, 
sondern auch das Dasein von Überstunden verneint sein, so wäre zu ent; 
gegnen, dafs Überstunden mit jeglichem Zeitlohnvertrag vereinbar sind, 
dafs daher, wer Vergütung für Überstunden beansprucht, es dahingestellt 
läfst, welcher lohnmessenden Zeitabschnitt der Zeitlohnvertrag hat. Es kommt 
’ür das Dasein von Überstunden blofs darauf an, dafs die Arbeitszeit für eine 
zewisse Arbeitsperiode (mag sie mit dem lohnmessenden Zeitabschnitt zu- 
3ammenfallen oder von ihm verschieden sein: S. 490/91) fixiert und dieses Fixzum 
in jener Arbeitsperiode überschritten worden sei. Im Wochenlohnvertrag 
kann die Arbeitszeit für den Tag auf 9 Stunden fixiert sein; dann ist jede 
larüber hinausgehende Arbeitsstunde eine Überstunde. 
‘ Deutscher Buchdruckertarif 8 34 Abs. 2: „Regelmäfsige Überstunden 
3ind thunlichst zu vermeiden.“ Bayrische Fabrikinspektion für 1897 S. 127: 
„Mitunter bildet dieselbe (die Überarbeit) für einen gröfseren oder kleineren 
Veil der Arbeiter die Regel.“ Wörishoffer, Soziale Lage der Fabrik- 
arbeiter in Mannheim, berichtet S. 43 von einer Eisengielserei, in der während 
eines ganzen Jahres täglich 12» Stunden Überarbeit vorkam. S. 44: In 
Maschinenfabriken Überarbeit „fast das ganze Jahr hindurch“. Besonders in- 
struktiv S. 47: „Die Asbestfabrik arbeitet regelmäfsig 13 Stunden täglich, 
ndem eine frühere häufige Überarbeit nach und nach als regelmäfsige Arbeits- 
zeit eingeführt wurde, so dafs... Überarbeit nun allerdings nicht mehr 
stattfindet.“
	        
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