Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

III. Kündigung vor Eintritt von Bedingung und Anfangstermin, 519 
befristeten Vertrag selber) oder durch Gesetz gegeben sein. In diese 
Frist ist die Zwischenzeit einzurechnen, und diese Frist kann vor oder 
nach dem Eintritt der Vollwirksamkeit ablaufen!. Dafls die Parteien 
bei Festsetzung jener Frist mit diesen Möglichkeiten nicht gerechnet 
haben, ist ohne Belang. Was das BGB. in $$ 621—623 beim Dienst- 
vertrag über befristete Kündigung verfügt, ist so gefafst, dafs dadurch 
die Kündigung: vor Vollwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses nicht aus- 
geschlossen ist. Auch darf man folgern: wenn sich durch Kündigung 
nach Eintritt seiner Verpflichtung jeder Teil.mit Ablauf der Kün- 
digungsfrist seiner Haftung für die Zukunft entledigen kann, so mufs 
er um so mehr mit dem gleichen Mittel die leichtere Fessel abstreifen 
können, die er sich durch Abschlufs eines bedingten oder befristeten 
Vertrags angelegt hat?®. 
Ist die gesetzliche Kündigungsfrist durch den Ver- 
trag wegbedungen worden, so dafs das Arbeitsverhältnis von 
jedem Teil jederzeit gekündigt werden kann, so ist solche Kündigung 
auch schon vor Eintritt der Vollwirksamkeit zulässig. Hätte es doch 
auch wenig Sinn, den Eintritt der letzteren zu verlangen und sie 
dann alsbald durch Kündigung wieder sistieren zu lassen. Überdies 
entspricht es dem Interesse des Gegners, nicht-hingehalten zu werden, 
wenn der andere schon jetzt entschlossen ist, das Arbeitsverhältnis 
nach Eintritt seiner Vollwirksamkeit zu kündigen. 
1 nach Eintritt, wie in dem Fall bei Unger, Entscheidungen Nr. 144. 
? „Kündigung kann schon vor Beginn des Dienstverhältnisses erfolgen“ 
hat das OLG. in Hamburg am 28. Nov. 1891 entschieden (Zeitschr. f. Handelsr. 
40, 452), Thiele, Archiv f. civ. Praxis 89, 162, der diese Entscheidung citiert, 
fügt jedoch bei: „Nur darf aber die Kündigung nicht so zeitig erfolgen, dals 
bei Antritt des Dienstverhältnisses ... die Kündigungsfrist bereits abgelaufen 
ist. Wollte man das annehmen, so würde man ein einseitiges Rücktrittsrecht 
vom Vertrage sanktionieren und dadurch der Vertragsumgehung das Wort 
reden.“ Allein um diese Konsequenz handelt es sich mit’nichten, sondern 
um die Frage, ob in die Kündigungsfrist, die unleugbar ein Stück der Ver- 
tragszeit ausmacht, auch der Teil der letzteren einzurechnen ist, der der Voll- 
wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses vorausgeht. Diese Frage kann nur, wie 
hier geschehen, bejaht, oder aber verneint werden. Thiele erklärt sich für 
ein Mittleres: „Hat also z. B. A sich verpflichtet, am 1. Juli bei B den Dienst 
anzutreten ... so kann bei dreimonatlicher Kündigungsfrist wohl so gekündigt 
werden, dafs das Dienstverhältnis z. B. zum 1. August beendet . . . werden 
soll, nicht aber in der Weise, dafs der Dienst überhaupt nicht anzutreten... 
wäre; eine Kündigung vor oder an dem 1. April wäre also ausgeschlossen.“ — 
Immerwahr, Kündigung S. 165 Anm. 3 ist gegen unsere Meinung, ohne 
die seinige zu begründen. Dasselbe gilt von Burchard, Rechtsverhältnisse 
der gewerbl. Arbeiter S. 50. Staub, Komm. zu HGB. $ 66 Anm. 8.
	        
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