VI. Plan der Untersuchung.
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Denn manches Unrecht kann den Verlust seines Inkognitos nicht
überleben.
Von dem minima praetor non curat hat sich der praktische Jurist
bisher nicht bestimmen lassen; der theoretische Jurist würde als
solcher abdanken, wenn man ihm dergleichen nachsagen könnte, Es
ist daher nicht anzunehmen, dals etwa die absolute Geringfügigkeit
der Werte oder der Beträge, die in ganzen Klassen von Arbeitsver-
trägen auf dem Spiele stehen, den Juristen von einer theoretischen
Befassung mit Gebilden abgehalten habe, die längst von dem National-
ökonomen sehr‘ beachtet werden. Wird doch .schon die mensch-
liche Teilnahme vollauf dadurch begründet, dafs der kleine Streit-
gegenstand sehr grofs sein kann für die besitzlose Partei, und ferner
dadurch, dafs die juristische Differenz, die um geringen Betrag sich
dreht, eine Massenerscheinung ist, also dafs die von der Theorie zu
gebende Konstruktion oder Entscheidung tausendfältige Frucht zu
tragen vermag.
VI. An die litterarische Thatsache anknüpfend, dals das Gebiet
des Arbeitsvertrags einer juristischen Behandlung entbehrt, die dem
Umfang des Gegenstandes und seiner eingangs geschilderten Bedeutung
entspricht, bestrebt sich die nachfolgende Erörterung, einen Beitrag
zur Lösung der Aufgaben zu. liefern, welche mit dem Arbeitsvertrag
der heutigen Privatrechtswissenschaft gestellt sind.
Von den Rechtsquellen werden die Landesrechte nicht ein-
bezogen, sondern nur hin und wieder da erwähnt werden, wo dies
zur Erläuterung nützlich scheint. Den Arbeitsverträgen des Gesindes
und der Bergleute wird daher nicht geflissentlich nachgegangen, aber
sie sollen auch keineswegs ausgeschlossen werden.
Dem römischen Recht wurde nicht aus dem Wege gegangen, —
an der juristischen „Los von Rom-Bewegung“ möchten wir uns nicht
beteiligen. Nur dafs die Bezugnahme auf dieses Recht im Hinter-
grund, und im Dienst der gegenwärtigen Aufgabe steht, dafs sie blofßs
ausnahmsweise zu dem ferneren Zweck erfolgt, die römisch-rechtliche
Ordnung der Sache zu beleuchten.
Im Vordergrund steht die reichsrechtliche Regelung. Bei ihrer
Darlegung wird überall da nach Vollständigkeit getrachtet, wo hiervon
ein Vorteil zu erwarten war, wo die Quellen des Reichsrechts Auf-
schlüsse über das Wesen, die Terminologie, die Arten, die Grund-
formen oder die Rechtswirkungen des Arbeitsvertrags gewähren.
Das Thema selbst anlangend sollen die Fragen ausgeschlossen
bleiben, die nicht gerade beim Arbeitsvertrag, sondern bei jedem Ver-