Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Vereinbarung zeitlicher Schmälerung oder Erweiterung, 613 
sollte beschränkt werden können. — Die unbefristete Entlassung des 
Arbeitnehmers aus den in GewO, 8 123 Nr. 1—7 genannten Gründen 
ist nach $ 123 Abs. 2 „nicht mehr zulässig, wenn die zu Grunde 
liegenden Thatsachen dem Arbeitgeber länger als eine Woche be- 
kannt sind“ *. Wenn vereinbart würde, dafs die Kündigung aus diesen 
Gründen schon nach drei Tagen seit der Kenntnis des Arbeitgebers 
ausgeschlossen sein soll, so ist diese zeitliche Schmälerung seines 
Kündigungsrechts für. zulässig zu halten. .Das HGB. giebt in $ 72 
keine entsprechende Zeitschranke; indem es aber den „besonderen 
Umständen“ Einfluß auf die Beurteilung des gegebönen Falles ein- 
räumt, gewährt es die Möglichkeit, zu verhindern, dafs Verfehlungen 
des Arbeitnehmers ihm beliebig lang als Kündigungsgründe nach- 
getragen werden können. Es ist danach nicht einzusehen, warum 
die gesetzliche, generelle Fürsorge der GewO. nicht im Sinne weiterer 
Milderung durch Vertrag sollte verstärkt werden dürfen. 
Hingegen können moralische Rücksichten sehr. wohl der zeitlichen 
Beschränkung des Kündigungsrechts entgegenstehen, deren Zulässigkeit 
für BGB. $ 649 hier (wie S. 534) angenommen wird. In der Vor- 
schrift: „Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit 
den Vertrag kündigen“ bildet dieses „jederzeit“ nur die Regel. Das 
Kündigungsrecht kann zwar nicht wegbedungen, aber für eine gewisse 
Zeit ausgeschlossen werden, z. B. bis der Arbeitnehmer Gelegenheit 
gehabt habe, seine Leistungsfähigkeit bei der bestellten Arbeit an den 
Tag zu legen, eine Woche, einen Monat lang. Nur wo ein solcher 
Vorbehalt zu einer Kollision mit höheren Rücksichten als den peku- 
niären des Bestellers führen würde, wäre er für ungültig zu erklären. 
So könnte der Arzt, welcher vom Vater zur Behandlung seines typhus- 
kranken Sohnes angenommen wird®, sich nicht ausbedingen, dafs ihm 
während einer gewissen Zeit nicht gekündigt werde, 
2. Kann das gesetzlich auf gewisse Zeit beschränkte Kündigungs- 
recht (S. 605) durch Privatdisposition erweitert werden, indem die 
Zeitgrenzen hinausgerückt oder aufgehoben werden? Diese Frage 
wird in den Gesetzen nur für einen Fall entschieden und dabei ver- 
neint, nämlich für das auf die Probezeit beschränkte Kündigungsrecht 
im Lehrverhältnis: „Eine Vereinbarung, nach der die Probezeit mehr 
als drei Monate betragen soll, ist nichtig®.“ Und Nichtigkeit dürfte 
auch für alle oder doch fast alle übrigen Fälle anzunehmen sein. 
1 z, B. liederlicher Lebenswandel des Arbeitnehmers, grobe Beleidigung 
des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer, 
2 Es wird einstweilen vorausgesetzt, dafs dies ein Werkvertrag ist. 
3 HGB. 8 77 Abs. 2 Satz 2. GewO. 8 127% Abs. 1 Satz 2.
	        
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