V. Vereinbarung sachlicher Beschränkung. . 615
darf der Ausdruck „jederzeit“ in HGB. $ 545 auch auf sachliche Un-
beschränktheit bezogen werden. Dafs der Schiffer jederzeit vom
Rheder entlassen werden könne, „selbst wenn das Gegenteil vereinbart
ist“, drückt daher aus, dafs eine sachliche Beschränkung dieses freien
Kündigungsrechts durch Privatdisposition ungültig ist, wie wir dies
für seine gänzliche Entziehung und seine zeitliche Beschränkung schon
erörtert haben (S. 608. 612).
Für die übrigen Fälle freien Kündigungsrechts fehlt es an einer
gesetzlichen Entscheidung unserer Frage. Die Bestellung zum Mit-
glied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft oder einer Genossen-
schaft wird für „jederzeit“ oder „zu jeder Zeit widerruflich“ erklärt
(HGB. $ 231 Abs. 3. GenossenschG. 8 24 Abs. 3), ohne dafs die
Aufstellung einer Voraussetzung vorbehalten ist. Dies spricht eher
gegen die Zulässigkeit eines solchen Vorbehalts. Ebenso möchten
wir nach Analogie des erwähnten Schiffers das freie Kündigungsrecht
gegenüber dem Binnenschiffer, dem Schiffsmann zur See und auf
Binnengewässern, dem Flofsführer und dem Floßmann für sachlich
unbeschränkbar erklären; hierfür läfst sich bei den Arbeitsverhältnissen
der Binnenschiffahrt und der Flöfßserei noch geltend machen, dafs es
hier neben dem freien ein gesetzlich an gewisse Voraussetzungen
geknüpftes Recht unbefristeter Kündigung giebt!, was auf das Be-
dürfnis eines unbeschränkten und daher nicht durch Vertrag beschränk-
baren hinweist. Für sachlich unbeschränkbar ist ferner das Kün-
digungsrecht beim Vertrauensdienstverhältnis (BGB. $ 627), wenigstens
das des Arbeitgebers zu halten, gemäß der Vertrauensgrundlage jenes
Verhältnisses. Frei mufs auch bleiben das Kündigungsrecht in der
Probezeit beim Lehrverhältnis. Die Freiheit auch von sachlichen
Schranken, die Möglichkeit in jeder Hinsicht beliebiger Kündigung
gehört zum Wesen dieser Probezeit; dafür ist ihre Länge begrenzt.
Zweifelhafter ist das Kündigungsrecht des Hinterlegers. Dafs es nach
dem Gesetz nicht zeitlich beschränkt werden kann (S. 612?), spricht
dafür, dafs es auch nicht sachlich beschränkt werden könne. Um-
gekehrt nehmen wir für den Werkvertrag — vorbehaltlich des Ein-
spruchs der Moral — beiderlei Beschränkbarkeit in Anspruch, neben
der S. 613 erörterten zeitlichen hier auch die sachliche. Es kann
bei Eingehung des Werkvertrags der Besteller sich anheischig machen,
nur aus hestimmten Gründen zu kündigen. etwa weil sich die Un-
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nn
Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit
zur ordnungsmäfsigen Geschäftsführung auzusehen.“
1 BiSchG. 8 20 Abs. 3, vgl. Abs. 6. 8 25 Abs. 1, vgl. Abs. 4. FIG, 8 16
Abs. 38, vgl. Abs. 4. 8 21 Abs, 2, vgl. Abs. 3.