VI, Disposition über das sachlich beschränkte Kündigungsrecht. 617
ad. 1. Eine Verfügung, die die unbefristete Kündigung vom
Grunde völlig unabhängig macht, stellt einen Rechtszustand her, der
dem Gesetz nicht unbekannt ist und im Leben tausendmal vorkommt.
Denn BGB. $ 623 Satz 1 gewährt beiderseitige freie Kündigung; und
wo im Leben durch Privatdisposition die Befristung der Kündigung
ausgeschlossen wird (unten Nr. IX), steht die unbefristete Kündigung
ohne Rücksicht auf den Grund frei. Hiernach dürfen wir nicht an-
stehen, die unter l erwähnte Verfügung in den S. 606 angeführten
Anwendungen der gesetzlichen‘ unbefristeten Kündigung aus „wichtigem
Grunde“ für gültig zu erklären. Nur sind die zwei folgenden An-
merkungen zu machen,
a. Jene Privatdisposition ist ungültig beim Lehrverhältnis des
Handlungslehrlings!. Denn hier würde die Ausschaltung des wich-
tigen Grundes zu ungemessener Ausdehnung der Probezeit führen, die
hier durch die Freiheit der Kündigung charakterisiert wird (S. 605.
609. 615). Die Probezeit kann aber nicht auf mehr als drei Monate
erstreckt werden (S. 613). ;
b. Die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses für eine gewisse Zeit
schliefst die ordentliche Kündigung während derselben aus, nicht auch
die außerordentliche, aus wichtigem Grund statthafte. Dies gilt aus-
nahmslos, wo jene Zeitbestimmung nur den Bestand (die Unkünd-
barkeit) des Verhältnisses während jener Zeit sichern soll, es gilt
regelmäfsig, wo jene Zeitbestimmung eine vertragliche Endbestimmung
ist (S. 554, 555. 558 Nr. 2), Wo nun neben jener Eingehung auf
eine gewisse Zeit auch noch die Ausschaltung des wichtigen Grundes
für die gesetzliche unbefristete Kündigung erfolgt, kann von Bestand-
sicherung nicht mehr die Rede sein, und ist die vertragliche End-
bestimmung auf die Wirkung reduziert, dafs mit ihrem Eintritt die
Vertragszeit ohne weiteres zu Ende geht. Ein solches Arbeitsverhältnis
ist ganz prekär.
ad 2. Durch die Privatdisposition, welche eine oder andere That-
sache ausnimmt, d.h. der Fähigkeit, Kündigungsgrund zu werden,
entkleidet, wird, im Gegensatz zur vorigen, das Kündigungsrecht ein-
geengt. Die Gültigkeit solcher Verfügung ist im allgemeinen zu be-
jiahen. Wenn jedoch die Exemtion wider die guten Sitten verstößt,
der Parteien erzeugt. Ihre Zulässigkeit hängt davon ab, dafs sie nicht wider
die Moral verstöfst, ein Verstofs, der hier sehr nahe liegt.
1 Der gewerbliche Lehrling gehört darum nicht hierher, weil es für sein
Lehrverhältnis eine unbefristete Kündigung generell aus „wichtigem Grunde“
var nicht giebt.