Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IX. Entfristung und gesetzliche Befristung. . 629 
Wo die die Kündigungsfrist regelnden Gesetze anderweitiger 
Abrede (einschließlich der in den Arbeitsvertrag übergehenden gene- 
rellen Regelung durch Arbeitsordnung' oder Tarifvertrag) ausdrück- 
lich Raum lassen, sind sie nachgiebig gegenüber allen Arten der 
Vereinbarung, sowohl zeitweiliger Ausschliefsung der befristeten Kün- 
digung (z. B. Fixierung eines Termins für ihre Erlassung), als Ver- 
längerung der gesetzlichen Kündigungsfrist, als Verkürzung derselben, 
und zwar bis auf Null, d. h. ihrer Ausschaltung. Ausdrücklichen 
Vorbehalt der Privatdisposition haben wir mit den Worten „wenn 
nicht ein‘ anderes verabredet ist“ oder ähnlichen in GewO. $ 122, 
8 1332, BiSchG. $ 20 Abs. 2, Bestimmungen, die vom beruflichen 
Arbeitsverhältnis der gewerblichen Gesellen und Gehülfen, der Betriebs- 
beamten, Werkmeister, Techniker und des Binnenschiffers, sowie 
zemäls der Übertragung in GewO. $ 134 Abs, 1 und BiSchG. $ 25 
Abs. 1 auch für die Arbeitsverhältnisse der Fabrikarbeiter und der 
Binnenschiffsmannschaft gelten. . 
Man hat denn auch nie daran gezweifelt, dafs der Ausschluß 
der Kündigungsfrist bei allen diesen Verhältnissen vereinbart werden 
könne, und von dieser Möglichkeit wird in großem Umfang bei den 
gewerblichen Arbeitsverhältnissen Gebrauch gemacht, sei es, weil der 
Arbeitgeber sich dem unerprobten Arbeitnehmer auch nur auf die 
Dauer der Kündigungsfrist nicht binden will, sei es, dals man von 
einem gekündigten aber nicht mit der Kündigung beendigten Arbeits- 
verhältnis Nachteile befürchtet!, sei es, dafs man die Konsequenzen 
von Änderungen in der Konjunktur (Ausbleiben von Bestellungen, 
Wechsel des Betriebsumfanges) oder im Arbeitsmarkt ungehemmt 
ziehen zu können wünscht? Die sehr grofse Zahl von Streitigkeiten, 
auch von gewerbegerichtlichen Prozessen, die sich um die unbefristete 
der Arbeitgeber auch dann noch auf die unbefristete Kündigung aus wichtigem 
Grunde angewiesen bleibt. Dafs die gesetzliche Frist durch Abrede verkürzt 
werden könne, ward S. 587 angenommen. Auch die Möglichkeit ihrer Weg- 
bedingung wülsten wir nicht zu bestreiten, Das Gesetz selbst hat eine 
Imparität der Parteien geschaffen, indem es den Arbeitnehmer bevorzugt. 
Es ist nicht ersichtlich, dafs es eine Steigerung des Vorzugs verhindern 
wollte. — Trotz bestimmter Lehrzeit giebt es nach HGB. $ 78 Abs. 1 und 
GewO. 8 127° Abs. 1 auf seiten des Lehrlings eine besonders zu motivierende 
befristete Kündigung. Es ist zwar höchst unwahrscheinlich, dafs ein Lehr- 
herr im voraus auf diese Befristung verzichten werde, aber es spricht nichts 
gegen die Möglichkeit, 
Soz. Praxis IX, 129/80. Hartenstein ebenda IV, 50 („Reibereien“). 
2 Vgl. Lage des Handwerks I, 267 (Schreinergewerbe in Köln), IX, 422 
(Baugewerbe in Breslau. Loewenfeld in Brauns Archiv III, 413. 414.
	        
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